The Prowlers - Re Evolution



(2007, Italien, Puresteel Records, 56.50)
01. Parting Words
02. Red Smoke
03. The Real Me
04. Firefly
05. Wonderful Creatures
06. Do You Feel The Same
07. Insomnia
08. Your Conscience
09. The Profession Part 1 Home
10. The Prayer
11. 1001 Lies
12. De Bello Gallico VI-VIII
13. La Belle Ferronniere

Ich bin ja bekennender Melodicmetalhasser, Verächter modernen Progmetals und Freund der alten Tugenden der schweren Beatmusik. Und dann kommt eine Truppe wie die PROWLERS aus Italien und wirft mein Weltbild einfach mal so über den Haufen, als wäre es immer so gewesen. Ja, ich bin begeistert vom dritten Album der Italiener und ich frage mich warum, besitzt es doch all die von mir so oft verfluchten Attribute. Es ist höchst symphonisch und übermelodisch, hat keinen wirklich erdigen Ausdruck, sondern wildert munter im abgehobenen Progmetal herum, Sehr sauber produziert ist es auch, doch da fängt es an. Das Schlagzeug hat Klang und Stil, es ist nicht allein Nähmaschinengetackere. Der Sound ist verglichen mit vielen aktuellen Produktionen um ein Vielfaches natürlicher und lebendig, sehr lebendig. Hat was von der Jahrzehntwende 89/90, klingt nicht nach späteren Geschichten, was die Sache schon wieder sehr sympathisch macht. Nach dem komischen Intro folgt der flotte Opener „Red smoke“. Und schon weiß ich nach wiederholtem Abspielen, was ich daran mag. Melodischer Speedmetal, aber mit Charisma dargeboten. Der Gesang ist hell, dennoch mit viel Straßendreck im unteren Bereich, der Sänger an sich leicht aus vielen Shoutern herauszuerkennen. Ich finde, er klingt wie Peter Gabriel, der grad melodischen Speedmetal machen will. Fragt mich nicht warum. Die Melodien sind recht euphorisch, jedoch nicht so exaltiert fröhlich, dass einem von der Süßlichkeit schlecht wird, nein, vielmehr mitreißend optimistisch. Und sie bleiben im Gedächtnis, sind nicht so recht standardisiert. Im weiteren Verlauf gibt es ein paar Gitarrensoli, dessen Abfolgen von klassischen Stücken übernommen sind, der „Ungarische Tanz No. 5“ von Brahms zum Beispiel. Das alles mag nichts besonderes sein, hat aber eine unwiderstehliche Spritzigkeit. Und eher proggy geht es weiter, wobei sich die angesagten Frickeleien der Neuzeit in Grenzen halten und mystischen Melodien freier Lauf gelassen wird. „The real me“ kleidet die Suche nach dem wahren Ich des Protagonisten in fantasievollen Melodicmetal mit verspielteren Strukturen. Sehr eindringlich besingt man hier diesen harten Fußweg. Tolle Soli vom Synthesizer und diese mystische Tiefe auch majestätischerer Passagen bringen die Band in Richtung Neoprog, wo sie die Konkurrenz locker im Zaume zu halten vermögen. Die PROWLERS lassen sich hier nicht so einfach in eine Schublade packen, ich weiß nur, dass sie den hochkauzigen Eminenzen des Undergroundmetals wohl trotzdem zu wenig obskur klingen werden. Aber das ist nicht einmal ein Risiko, denn das Potential der Band ist gewaltig. Die Melodien im weiteren Verlauf der Scheibe werden immer eindringlicher und bleiben stets theatralisch groß, ohne kitschig zu geraten. Selbst der Balladeske Anfang von „Do you feel the same“ und sein weiterer Verlauf als Schmachtfetzen sind nicht dazu angetan, mich davon zu überzeugen, es hier nur mit einer weiteren oberflächlichen Schlagerkapelle zu tun zu haben. Oh, gewiss nicht, denn das hier ist zwar sehr emotional, sentimental, überladen mit Pathos, hat aber wundervolle Melodien von Gesang und Gitarre, ein akustisches Gitarrensolo von göttlichen Gnaden und als Kontrast elektrische Leads mit viel Leidenschaft darin. Man kann so wunderbar in diesem Stück schwelgen, wie allegemein in der Üppigkeit des Albums. Auch das ist dann eher metallisierter Neoprog als trendiger Schlagermetal. Die PROWLERS sind eine jener Jahrhundertausnahmen im melodischen Metal der heutigen Zeit, rar wie Goldstaub durch ihren Bezug auf die besseren und besten Einflüsse der metallischen und progmetallischen Pionierzeiten. Sie sind sich des geilen Riffs bewusst, welches einen Song zum Hit oder bei Ermangelung dessen zur Niete werden lässt, sie sind so voller Energie und Hingabe bis zur Besessenheit und sie schreiben Melodiebögen, die nicht nur auf heile Welt getrimmt die Belanglosigkeit hochleben lassen. Da steckt Feuer drin und diese Kombination verdreht mir persönlich den Kopf. „Your conscience“ ist eines dieser Stücke, zwischen dunklen, wütenden Heavy Metal Momenten mit furiosem Gesang und proggig verspielten, aber doch schmissigen Instrumentalparts, bei denen sich gerade der Keyboarder wie ein Irrer gebärden darf, einer prise Bombast und immensem Pathos. Und der ganz große Wurf kommt dann zum Ende der Scheibe hin. Eine sechseinhalbminütige Orgie aus symphonischem Prog, feurigem Heavymetal mit beinahe verwunschen schönen Melodien, beschwörenden Chören und coolen verspielten Passagen, die ganz deutlich die Affinition der Band zum 70er Italoprogrock zeigen. „De Bello Gallico VI – VIII“ ist dieses Meisterwerk betitelt. Dann folgt noch ein letzter Akt, eine wunderschöne Kombination aus mystisch dichter Atmosphäre vom klassischen Grand Piano, textlosem Gesang einer Dame, eher im folkloristischen, denn opernhaftem Bereich zu suchen, eindringlichen akustischen Gitarren und dezenten Keyboards, gerade durch seine Zurückhaltung so ergreifend. Die letzte italienische Melodic / Symphonic Band, die mir dahingehend gefallen hat, das war KALEDON, obschon die durch ihre wesentlich einseitigere Herangehensweise eben nicht diese Macht entwickelt haben, die die PROWLERS ausstrahlen. Also kann Progmetal selbst mit Morsecoderhythmen und Stakkatoriffs nach vorne peitschen, kann Melodicpowermetal tief berührende Melodien mit sich tragen, schließen sich Eingängigkeit und Tiefgang nicht aus. Die PROWLERS haben das Potential, allein durch tolle, einprägsame Songs, den Thron in einigen, von mir noch immer leidenschaftlich verachteten Untergenres der heutigen metallischen Rockmusik zu erklimmen und werden hoffentlich zu wichtigen Impulsgebern. Ich kann die Scheibe natürlich auch nicht immer hören, aber wenn mir nach melodischem Powermetal mit Progelementen ist, dann ziehe ich sie definitiv anderen Sachen vor.
94/100

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