VERGANGENE GROSSTATEN: MOVING GELATINE PLATES - Moving gelatine plates

(1971, Musea, Frankreich, 36.15)
01. London Cab
02. X-25
03. Gelatine
04. Last Song
05. Memories
Nicht allein MAGMA und ANGE waren kultige französische Progrockexporte, auch diese etwas weniger bekannte Band konnte gut Punkte einfahren. Die sich bewegenden Gelatineteller würde man wohl ohne Vorkenntnisse eher nach England in die Canterbury Szene einordnen, denn schon beim Opener "London cab" wird klar, dass hier der Jazzrock dominiert. Ein wilder bis entspannter Jazzrock mit leicht psychedelischen Anwandlungen, zum größten Teil instrumental gehalten mit ein paar gesprochenen Passagen dabei wird uns auf dem ersten Stück kredenzt, kann auch schon mal in groovigen Hardrock mit Gesang und Begleittrompete abdriften, bleibt dem ursprünglichen Stil jedoch treu ergeben. Das Schlagzeug ist verrückt, wirbelt und groovt als gäbe es kein Morgen mehr, aber genau so ist der gesamte Song. "X - 25" beginnt schräg und gemässigt freejazzig, wird dann etwas geradliniger mit fuzziger Acidgitarre und einer Grundstruktur, die an osteuropäische Folkloremusik erinnert. Ein kurzer Ausbruch erfolgt, worin die Musik wie irre wirbelt, dann wieder eine kleine verspielte Passage und ein recht merkwürdiger Ufftapart, der eher an Polka gemahnt. Fertig! Die Band ist sich somit auch nicht für etwas gröberen Unfug zu schade, der mich in seiner Ungezwungenheit an alte SOFT MACHINE erinnert. "Gelatine" ist dann ein wilder, aber melodischer Song mit eigenwilliger Rhythmik und beschwörenden Harmonien. Im Mittelteil gibt es zuerst nur einen dezent im Hintergrund stattfindenden Bassritt, dem dann verspielte, geheimnisvoll klingende Progeinlagen folgen, welche die Stimmung aufheizen. Dann wird es eruptiv und kraftvoll, mit progressivem Einschlag natürlich. Oder aggressiv funky mit wirbelnden Drums, melodischen Gitarren und spöttischer Saxophonmelodie? Die MOVING GELATINE PLATES wirken irgendwie stets ein Stück weit neben der Spur, als hätten sie ihren Jazzrock unter Zuhilfenahme diverser anregender Substanzen erschaffen. Das hier ist wahrlich keine alltägliche Platte aus einem zu Beginn der 70er weit verbreiteten Genre. Sie sind freakiger, improvisationsfreudiger und freigeistiger als viele Kollegen, haben den Coltraneschen Geist in sich, wissen aber trotzdem die Musikalität zu wahren und mystische Stimmungen zu erschaffen. So hätte eine Jamsession von Miles Davis, John Coltrane und dem MAHAVISHNU ORCHESTRA in jenen Tagen klingen können, wäre Coltrane da noch am Leben gewesen. Die Phreak Outs bei "Gelatine" sind gigantisch. Das Gitarrenspiel ist stets feurig und wild, dampft regelrecht vor Leidenschaft und unbändiger Energie. Die Zerre ist natürlich immer irgendwie an, was den Gitarristen der MGP doch ein wenig von den durchschnittlichen Jazzrocksaitenhexern entfernt und seinem Spiel einen brodenden Ausdruck schenkt. Beim langen "Last song" gibt es neben all den sägenden Gitarrensoli auch noch eine Abfahrt vom Schlagzeuger, der sich wie besessen durch sein Set prügelt, als hätte er vier Arme und vier Beine. Eindrucksvoll, verdammt eindrucksvoll. Zum Ende hin gibt es im "Last song" noch eine ruhige, psychedelische Passage mit schönem Gesang und nebeligen Orgeln und morbiden, dämonisch jaulenden Leadgitarrenparts. So kehrt die Psychedelik wieder in den Schoß des Jazzrock zurück, eventuell ja auch umgekehrt. Aber genau diese Einwürfe machen die Scheibe so spannend. "Memories" ist anfangs eher entspannt mit akustischen Gitarren und Flöte, was sich nicht ändern soll. Psychedelisch folkiges Geschwebe, rein Instrumental. Eine nette Chill Out Nummer für den Schluß. Alles in allem eine packende Scheibe für Canterbury Fans, insbesondere derer von SOFT MACHINE und ihren ersten fünf Alben. 96/100

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