VERGANGENE GROSSTATEN: FRUMPY - 2



(1971, Deutschland, Phillips, 39.46)

01. Good Winds

02. How The Gipsy Was Born

03. Take Care Of Illusion

04. Duty

Eine der vielen genialen Platten aus deutschen Landen war dieses Zweitwerk der Hamburger FRUMPY um die immer noch höchst aktive Gesangslegende Inga Rumpf. Mit dabei waren u.a. der später als Hörspielsoundtrackmacher bekannt gewordene Carsten Bohn am Schlagzeug und Jean - Jacques Kravetz als Keyboarder, pardon, Organist. Nun, worauf lässt man sich ein, wenn man sich die vier überlangen Stücke zu Gemüte führt? Der Opener "Good winds" beginnt eher getragen, fließt dahin mit betörenden Gesangsmelodien, die durch Halleffekte abgeflogen psychedelisch wirken. Die Orgel sorgt für eine feierliche Grundstimmung, während von der Gitarre schöne Slides kommen. Das Stück hat ein verträumtes West Coast Feeling, welches mit eher britischen Elementen, pastoral folkigem Psychedelicsound, angereichert wird. Im Mittelteil geht es wilder zu, da kommen die klassischen und folkloristischen Einflüsse besonders gut in der feurigen Abfahrt zur Geltung, bevor man sich wieder auf den eher ruhigen Grundteil einpendelt. Tolle, eher bluesige Orgelsounds und knallige Rockgitarren eröffnen dann den Hit "How the Gypsy was born", der wiederum in eher getragenem Tempo dahinwalzt, wie eine überdimensionale Wolke aus dem Rauch vieler Joints. Etwas energetischer wird es jeweils zum Refrain hin, ansonsten schlendert die Band ganz entspannt durch die Strophen. Inga Rumpf hat derweil mit ihrer etwas tieferen, angerauten Stimme den Blues. Die Strophenpassage mit den Gitarrensoli klingt herrlich bedröhnt und so sind dann auch diverse Leadgitarrenspuren aufeinandergelegt worden, um einen abgespaceten Eindruck zu hinterlassen. Die haben doch gekifft, echt jetzt. Ein Schlenker zum Refrain hin, dann kommt eine aggressive Orgel von Herrn Kravetz, eine sehr eindringliche, mitreißende Gitarrenmelodie setzt ein, dann ist Inga dran und betört Eure Sinne mit ihrem psychedelischen Gesang. Die Passage nimmt sich etwas zurück, verspielte, dunkle Orgelmelodien über hypnotischen Rhythmen erscheinen, es wird wieder wilder, wobei das Schlagzeug und die Orgel diese Momente bestreiten. Hier kommt der Progeinfluss der Band zum Tragen. Dann geht es wild und percussiv auf der Orgel weiter, Jean Jacques Kravetz scheint um sein Leben zu spielen. Einem Derwisch gleich haut er auf die Tasten. Wieder trifft man auf die Läufe, die diese Passage eröffnet haben, dann ist urplötzlich Schluss. Aber die Band spielt weiter. "Take care of illusion" nennt sich der nächste Song, welcher vom dramatischen Hardrock bis zum entspannten Bluesrock alle Register zieht. Die düsteren Hardrockpassagen mit Ingas beschwörenden Vocals sind natürlich in der Überzahl. Die Band scheint geheimnisvoll mystische Melodien zu lieben, die sich langsam aufbauen und irgendwann schier zu explodieren scheinen. Die Stimmung in der ruhigen, dennoch drückend intensiven Passage, die sich an den zweiten Hardrockrefrain anschließt, ist bis zum Zerreißen gespannt. Inga gibt sich als Hohepriesterin. Die Frau hat so ein verdammtes Charisma, da kommen tausende von heutigen Popsternchen und singenden Kleiderständern zusammen nicht ran. Und schon kommt der Ausbruch der mystischen Passage, es wird von Sekunde zu Sekunde wilder, intensiver, heavier. Klampfer Rainer Baumann entpuppt sich als Gitarrentier in bester Hendrix, Gallagher, early Clapton, Beck oder Page Manier. Und das macht die fetzigen Abgehmomente mit den dunklen Harmonien so eindrucksvoll. Die Saiten qualmen regelrecht. Doch wären FRUMPY ja nicht FRUMPY, würden sie nicht wieder auf die relaxteren Parts gehen, die den gebannt lauschenden Psychefan wieder runterbringen. Höre ich da ein Mellotron? Oh, Jean Jacques und Inga bestreiten die sehr melancholische Eingangszeremonie von "Duty", dann kommen Rainer und Carsten hinzu und entspannter, leicht psychedlisierter Rock mit kräftigen Orgeln und Gitarren untermalt Ingas Gesang. Ansonsten bleibt es locker, ein wenig verspielt mit angejazzten Passagen, die man eher bei englischen Canterburybands vermuten würde. Da treffen barocke , altbritischeTraditionsmusik und modernerer Jazz aufeinander. Dann wird es etwas flotter mit fuzzigen Wahwahgitarrensoli, die so schön aus den Boxen brodeln und Deine Sinne komplett wegjaulen. Dieser Abschnitt des Songs atmet eine Menge Swing, besitzt eine hypnotische Ausstrahlung. FRUMPY toben sich aus, auch wenn ihre Musik niemals in bekloppte Freak Outs ausartet, wie das bei vielen deutschen Bands so oft der Fall ist. Naja, die schrägen Soli von Rainer Baumann sind schon etwas verrückter, aber geil gemacht. Die Gitarre führt einen Dialog mit der Orgel, während sich Bass und Schlagzeug in packender, verwinkelter Rhythmik üben. FRUMPY waren deutsche Majorware in ihren frühen Jahren, das muss man sich mal vorstellen. War in jenem Zeitfenster von 1967 bis ca. 1972 wirklich vieles besser, weil ungezwungener? FRUMPY bekräftigen diese These. Ihre Songs sind strukturiert und doch freimütig, ihr Spiel ist erfüllt mit Seele und Leidenschaft. Sie wissen zu improvisieren und behalten doch stets die Oberhand innerhalb ihrer Kompositionen. Für 70er Hardrockfreunde mit jammigem Ausdruck ist das hier ein absolutes Schmankerl, da vor allem auch die Songs an sich ausdrucksstark und charismatisch erscheinen. Viele klassische Motive und Einflüsse machen sich bemerkbar, meist barocke Elemente, weil deren Melodien die größte Tiefe und Magie offenbaren. Wer also eine geniale Mischung aus JIMI HENDRIX EXPERIENCE, CARAVAN und ATOMIC ROOSTER mit absolut gigantischem Bluesgesang von einer der Grand Ladies des Genres abkann, der soll sich auf die Suche machen. Die LP gibt es sicher noch zu guten Kursen in Second Hand Läden oder auf Flohmärkten und die CD kam in den 90ern bei REPERTOIRE Records in Hamburg wieder raus, eventuell gibt es noch mehr Nachauflagen.
97/100

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