OGRE - Seven hells


(2006, USA, Leafhound Records, 56.27)
01. Dogmen (Of Planet Earth)
02. Soldier Of Misfortune
03. The Gas
04. Woman On Fire
05. Review Your Choices (PENTAGRAM-Cover)
06. Sperm Whale
07. Fleash Feast
Die 70er sind ja wieder schwer im Kommen, weil gerade damals die Rockmusik einfach frischer, inspirierter und leidenschaftlicher klang, ohne zu viele Genredogmen und mit sehr ungezwungener Kompositions – und Spielweise. Und da kommen stellvertretend für die neue Welle urtraditioneller Rocker OGRE aus dem US Bundesstaat Maine ins Spiel. Anders als bei vielen aktuellen Bands schwingen sie keine aggressiv – stumpfe Stonerkeule, sondern orientieren sich am beseelten Spiel der Frühzeit, klingen dabei aber frisch und wirklich inspiriert. Wäre da nicht beim Opener der verzerrte Bass an einer Stelle, den man eher bei britischen Hardcore / Metal Bands der späten 80er vermuten würde, kein Mensch würde einem Glauben, daß OGRE eine aktuelle Band im Alter so von Anfang bis Mitte 30 sind. Kommen wir nun zu den Songs. „Dogmen (of planet Earth)“ nennt sich der wild rockende Opener, welcher schon gleich mit einer herrlich schaurigen Sci Fi Geschichte aufwartet, bei der es um zur Erde zurückkehrende Weltraumreisende geht, die feststellen müssen, daß ihr ehemaliger Heimatplanet nun von sehr hungrigen Hundemenschen bewohnt wird, inklusive Gemetzel beim Rückweg zum Schiff natürlich. Ein markantes, aber dennoch urtraditionelles und irgendwo wohlvertraut klingendes Grundriff und die frech frivolen, etwas helleren, nasalen Vocals von Bassist Ed Cunningham sorgen musikalisch für helle Freude. Klar, OGRE erfinden den Heavyrock garantiert nicht neu, aber immerhin klingen sie so, als hätten sie ihn gerade neu erfunden. Ross Markonish an der Leadgitarre brennt einen mörderischen Lauf nach dem nächsten von ihrem schlanken Hals, lässt sie wie einen getroffenen Hundemenschen aufjaulen, erfüllt sie mit der Seele des Blues und der morbiden Schönheit des Todes, welche dem Doom entströmt (der ja seine Wurzeln auch im Blues hat, oder woher kommen BLACK SABBATH nochmal?). Schon hier wird klar, das Zusammenspiel der Musiker ist traumwandlerisch. Einer legt vor, die anderen steigen drauf ein, ohne daß sie großartig festgelegte mathematische Songstrukturen brauchen. Pure Magie.
Richtig schmierig doomig geht es dann in „Soldier of misfortune“ weiter, welcher einen mahnenden Mittelfinger in Richtung der Kriegstreiber im amerikanischen Senat ausstreckt. Warum die Geschichte ausgerechnet aus der Sicht eines Vietnamsoldaten erzählt wird, liegt wohl daran, daß dieser Krieg für die USA die entwürdigendste Niederlage in ihrer militärischen und politischen Geschichte war und zudem noch mit grausamsten Mitteln geführt wurde, noch grausamer als der zweite Weltkrieg vielerorts. Ross‘ Leadgitarre jault und brummt hier vollmundig und betört den Zuhörer auf der Stelle, zum Ende hin bricht die doomige Struktur des Stückes auf und man wird mit einem lockeren, treibenden Boogeypart inklusiver schön ungezähmter Soli nochmals durchgepeitscht.
„The gas“ walzt tonnenschwer in bester alter 70er Doommanier aus den Speakern, die Melodie ist so elegant simpel wie eindringlich gehalten, daß sie sich augenblicklich in die Seele einfräst. Herrlich wieder das Zusammenspiel der Musiker, an einer Stelle gibt es eine Betonung vom Schlagzeug mit den Becken, von der jaulenden Leadgitarre und einem jodelnden Schrei von Basser Ed, die ganz unisono im Song eingebaut sind. Es ist nur eine kurze, aber sehr herausstechende Passage, die sehr auffällig die Klasse der Band unterstreicht.
Gehen wir mal einen Schritt fort vom Doom, hin zum mächtig groovenden 70er Hardrock, jener wird bei „Woman on fire“ exzessiv zelebriert mit brodelnden, eruptiven Riffs, einer Unmenge an sehr entfesselten, kaum enden wollenden Wahwahsoli, die sich in ihrer Intensität mit zunehmender Spieldauer noch steigern, ein paar schleppenderen Momenten und natürlich der packenden, mitreißenden Eingängigkeit, die dem ganzen Genre zueigen war und ist, insbesondere aber den Songs von OGRE, um die es hier geht. Die Jungs fetzen wie besessen, sind dabei die coolsten Rocker auf Erden, speziell der Nasalgott Ed Cunningham, der wie ein reinkarnierter Bon Scott klingt, allerdings fieser, theatralischer, mystischer. Ein absolut charismatischer Sänger.
Kultig wird es mit dem nächsten Stück, einer Coverversion der US Doompioniere PENTAGRAM, die zeitgleich mit BLACK SABBATH den Lavarock vorantrieben, ihn mit erfunden haben, leider aber nie die ihnen zustehenden Erfolge feierten. „Review your choices“ heißt deren 99er Album, so heißt auch dieser Song und doch ist er gar nicht so brandneu, sondern entstammt, gleich einem Großteil des Repertoires PENTAGRAMS auf ihren aktuellen Alben, den frühen bis mittleren 70ern. Der Song in der OGREschen Fassung ist Doom, Blues, Hardrock, emotional, eigenwillig und mitreißend. Natürlich ist es nicht leicht, PENTAGRAM Sänger Bobby Liebling vom stimmlichen Ausdruck (weil, ein Techniker ist der nicht wirklich) her nahezukommen, Ed Cunningham schafft das, auch wenn seine Stimme komplett anders klingt. Es ist die Theatralik, dieses beschwörende Element. Herrlich.
Noch zwei Songs, dann sind wir mit der Scheibe durch. „Sperm whale“ ist ein zum größten Teil instrumentaler Rocker zwischen den üblichen OGRE Zutaten, doomig, bluesig, treibend hardrockig, er fetzt mit eindringlichen, packenden Riffs, richtig leidenschaftlichen Wahwahleads, bei denen Band wie auch Zuhörer in einen Trancezustand fallen sollten, bekommt dann aber eine für heutige Musik besondere Wendung. Ein monumentales Schlagzeugsolo, wie es vor 36, 37 Jahren viele Bands am Start hatten, selbst auf ihren Scheiben, wird hier äußerst wild und lustvoll inszeniert. Drummer Will Broadbent ist ohnehin ein Rhythmuswizard, nur am Wirbeln und am kloppen, die verrücktesten und doch coolsten Figuren am Basteln, hier tobt er sich aus. Irgendwann springt das Stück zum Ende hin in eine Passage mit spacig jaulender Gitarrenarbeit, dazu einer straighten Basslinie und eben jenem eruptiven 70er Drumming über, auf der Basser Will ein paar Zeilen erzählt, dann auch singt. Mit einem bluesigen Scream geht es wieder in den Anfangspart zurück zum groovenden Hardrock. Man ist bis hierhin gekommen und restlos begeistert, aber auch restlos ausgelaugt, denn diese Scheibe reißt mit, fordert, schleudert Dich umher.
Nun darf man ausruhen, tief unten in modrigster Gruft, denn es ist Zeit für einen der mystischsten, düstersten Doomsongs aller Zeiten. „Flesh feast“, schrabt sich schwerfällig mit von morbiden Synthesizerklängen untermaltem Grundriff aus den Boxen. Ross haut immer wieder herrlich fantasievolle Melodiebögen in das schleppende Gewalze hinein, während Ed einfach alles in Grund und Boden singt. Wow. Dies ist einfach eine wahnwitzige Hymne reinsten Dooms. Ein monumentaler Abschluß für ein monumentales und doch so bodenständiges Album. Solch ehrliche und sympathische Band ist ein seltenes Vergnügen in unserer harten Rockmusik geworden, also hegt und pflegt sie gut. CD gibt es direkt bei der Band als Japan Import für 18,00 US$ inklusive Porto. Schreibt den guten Ross doch mal an, der beißt nicht.

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