VERGESSENE JUWELEN: GRAVY TRAIN - Staircase to the day


(1974, UK, PYE, 43.57)
01. Starbright Starlight
02. Bringing My Life Back To Me
03. Never Wanted You
04. Staircase To The Day
05. Going For A Quick One
06. The Last Day
07. Evening Of My Life
08. Busted In Shenectady
GRAVY TRAIN hatten mit ihrem 1970er Debüt eines meiner frühen Lieblingsalben jener Tage abgeliefert, ein Mix aus dramatischem Hardrock, progressiven und folkigen Flöten, brodelnder Psychedelik und einem Schuß Blues. Nun hatten wir damals eben 1970 und die progressive Rockmusik war erst kurz davor, aus ihren Kinderschuhen auszubrechen. 1974, der Progrock hatte Hochkonjunktur und ich kam als einziges Kind meiner Eltern in einer lauen Sommernacht auf die Welt, waren GRAVY TRAIN schon meilenweit von progressiven Klängen entfernt. Hardrockiger Mainstreamsound mit ab und zu spacigem Einschlag wurde geboten. Der Opener „Starbright starlight“ war ein straight groovender Rocker mit eingängiger Melodie und einem mittelschnell anschubsenden Beat aus rhythmischen Orgelriffs, pumpendem Bass, hart geschlagener Akustikgitarre und schlacksigem Drumming. Zum Ende hin zirpen sphärische Synthieläufe darüber hinweg, was die Affinität zum Spacerock klarmachen soll. Eine gute Partynummer, sicher, man merkt aber schon, daß kompositorisch die Luft langsam dünn wurde. Ausgedünnt war sie dann gleich mit dem zweiten Song „Bringing life back to me“, einer schmalzigen Schmachtballade mit etwas mehr Dramatik im Refrain, allerdings auch aufgeblasenen Gospelchören an selbiger Stelle. Geschmeidig, radiotauglich, platt, aber doch nett zu hören. Das hätten NAZARETH nicht schmachtender hinbekommen. Seufz! Eigentlich ist sowas schon wirklich aus, wenn man sich das Debüt vor Augen hält, aber ich mag nach wie vor die angerauhte, charismatische Stimme des Sängers und ich gehöre auch zu den Leuten, die guten Mainstreamrock der 70er vertragen, so z.B. das 73er „Get your dog off me“ Album der Ex Progger BEGGAR’S OPERA oder eben diesen Schmalztopf. Paßt schon, paßt schon. Reich und berühmt sind sie damit nicht geworden. Aber zum Glück ist das Geschmachte rasch vorüber und treibender Rock setzt ein. Boogey, Blues, recht flott gespielt. Die Gitarre könnte allerdings etwas mehr braten und was ist das da perlendes im Hintergrund? Ein E Piano? Eine Orgel? Ich weiß es nicht. Der Song hat ordentlich Schmackes, trotz der Mundharmonika und der fehlenden Hardrockgitarre. „Never wanted you“ hat einen leicht verspielten Mittelteil, der sich langsam immer mehr steigert und dann wieder in schwelgerischem Mellotronpomp landet. Aber schön gemacht! Coole Screams des Sängers und doch einige energiereichere, aber nicht direkt „heavy“ zu nennende Passagen. Der Titelsong bringt die vom Debüt her liebgewonnene Melancholie mit unverzerrter Gitarre und betörenden Flötenläufen, die später Unisono mit der Gitarre laufen, zurück. Verträumte Psychedelic, melancholischer Pop der späten 60er, ein wenig folkige Atmosphäre mit Wurzeln im viktorianischen England, eine sehr schöne Regenwetternummer, eingängig aber doch mit Substanz und viel Gefühl, sehr einprägsam auch. Zwar nicht innovativ, aber einfach nur schön. Die betörende Leadgitarre verweist auf die großen Brüder PINK FLOYD, während man doch insgesamt mehr Pop in sich trägt. Verglichen mit der aktuellen Chartmusik, selbst dem80er Plastikmainstreamrock und den Schlagern der 70er ist das hier ganz großes Kino und auch ohne jetzt schlechte Musik heranzuziehen, um diese Scheibe besser dastehen zu lassen, dieser Song kann echt was. Analoge Synthies verschönern die Atmosphäre noch zusehends, das Mellotron und „Aaaah“ – Chöre treten hinzu. Natürlich ist das reichlich bombastisch und irgendwie in Gigantomanie versunken, aber solange dabei solche fetten Songs rauskommen gehe ich mit den Komponisten konform.
Mittelschnell dahinschlendernder Hardrock, sehr entspannt und cool, wird einem mit „Going for a quick one“ geboten. Alles klar, ein Ficksong, wie er im Buche steht. Ebenfalls nicht herausragend, aber packend genug, um mich zu überzeugen. Ein paar Choreinlagen und ein wenig Pomp sind auch hier nicht fehl am Platze, obschon es die Band wirklich erdiger angehen lässt. Auf einmal sind alle Instrumente ausser dem Schlagzeug fort, dann setzt das Grundthema wieder ein und darüber soliert ein analoger Moogsynthesizer. GRAVY TRAIN hatten wohl schon mit dem Vorgängeralbum einen elenden Reinfall hingelegt und waren kompositorisch wohl wieder auf dem aufsteigenden Ast. Nun kenne ich „Second birth“ nicht und irgendwie will ich das auch nicht. Die beiden progressiven Frühwerke auf dem VERTIGO Label und dieses zweite Album auf PYE reichen völlig. „The last day“ ist mehrteilig aufgebaut, straighter, entspannter Rock mit folkigen, spacigen, epischen und sehr peacigen Melodien im Anfangspart, wo akustische Gitarren über relaxten Bass – und Schlagzeugläufen eine üppige Grundlage für den gequälten, rauhen Gesang liefern. Dann ein Gitarrenübergang und schon schwebt man über einem stampfenden Beat dahin, wo Gesang und Flöte ein wenig freakiger, schräger daherkommen. Entwarnung, man landet wieder in der Eingangspassage. Dieses Stück ist auf jeden Fall eine sehr schöne Spacehymne ohne zu harte Gitarren. Und noch mehr Melancholie. Ein Klavierthema eröffnet „Evening of my life“, ein E Piano steigt ein, spielt über den Grundlauf eine schöne Leitmelodie. Dann schwelgt man in bombastischem Schönklang, einer absoluten Superballade, die ELTON JOHN nicht gewaltiger hinbekommen hätte, wohl aber mit weniger Substanz servieren würde. Auch wenn das alles schon zu sehr nach fluffigem Soundmuskelspiel klingt, es ist nicht schlecht, aber sehr kurz.
Rockig wird es nochmals zum Schluß, mittelschnell, schlendernd vom Beat her, obercool und trotz der wohlvertrauten Kompositionsweise mitreißend und einprägsam. Ein schöner Kraftrock zum Ende mit jaulender Gitarre, verzerrter Slideklampfe für die Soli. Ein Boogeykracher mit Bombastchor im Refrain. Das Ding wird Proggern nicht reingehen, ich find es klasse. Im Mittelteil bricht der Song dann aus sich selbst heraus in einen wirbelnden Hardrockpart, der sich hypnotisch – monoton zu einem wahren Inferno hinsteigert. Das war mal sehr angesagt, hehehe, aber hey, ob nun 1969 oder 1974, es verfehlt seine Wirkung nicht. Mellotronleads sind auch diesem Song nicht fremd, was absolut rockt. Ja, verdammt. „Busted in Schenectady“ rockt komplett. Dann bricht der Song auf einmal ab und man wähnt sich bereits am Ende der Scheibe, aber nein, eine Wahwahgitarre überzeugt einem vom Gegenteil, ein entspannter Groove tritt auf. Funkiger Hardrock? Bitte, paßt schon, wenn es denn so cool gemacht ist wie hier. Absolute Hymne zum Schluß der LP mit irrsinnigen Schreien.
Eigentlich hätten es GRAVY TRAIN mit diesem Album schaffen sollen, weiß der Schinder, warum es ihnen nicht gelang. Schlechter als NAZARETH auf deren besten Alben waren sie nicht. Eher noch weniger oberflächlich. Schade drum. Wenn man die Scheibe mal bei Ebay oder im Second Hand Laden sieht und gerade Lust auf 70er Prog / Pomp / Hardrock hat, sofort zulangen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Friedhof - same

THE HAND OF DOOM - Poisonoise Reissue

Born in 1974...die Top Alben