VERGESSENE JUWELEN: SLEEPY JOHN - Sleepy John


(1970 / 2004, USA, Gear Fab, 72.38)
01. River
02. Al capa strong
03. Nothing
04. Dragons
05. Prelude to a dream
06. Seasons
07. Losing my plow
08. Hard workin‘ woman
09. I’m just happen to be (in love with you)
10. Monday blues
11. You say
12. Trying to fly
13. Blue sky
14. Cowboy
15. Searching for the world
Die Musik auf dem vorliegenden Album entstand schon 1970, daher sollte man sich nicht darüber wundern, daß hier kein rasender Powermetal, sondern entspannter und doch oft sehr entfesselter Heavyrock mit feurigem Gitarren – und Orgelspiel zu finden ist, wie der komplett explodierende Schlußpart von „River“, dem eröffnenden Track uns unter Beweis stellt. Der Sound der Scheibe wird sicherlich heutigen Standards nicht mehr gerecht, ist aber lebendig und ehrlich, man hat das Gefühl, als stünde die Band direkt neben einem. Sleepy John standen immer noch an der Schwelle von den 60er Psychedelicbands zum 70er Hardrock. Ausladende, die Sinne raubende Jams und Soloparts gehören ebenso zum Repertoire wie geradlinige, aggressiv treibende Momente mit eindringlichen Melodien. Gerade der oft ekstatisch wirbelnde Drummer ist eine absolute Ohrenweide und nur ein kleiner Teil des packenden Gesamtbildes. Die Stücke sind verspielt, fließen aber sehr natürlich voran und bleiben nachvollziehbar. Ein paar Freakouts hier und dort lassen den Fluß der Stücke nicht stocken. Auch wenn die Gitarre nicht immer übelst verzerrt klingt, die sehr hingebungsvolle Art, wie sie bearbeitet wird, erweckt das Gefühl von immenser Wucht. Ab und an wird die Fuzzbox eingeschaltet und ein brodelnder Zerrklang schleicht sich ein und säbelt Dir die Bauchdecke auf. Nach zwei harten Rockern braucht übrigens jede Band einmal eine Pause, da kommt eine mit üppigen Orgelarrangements versehene, in Melancholie schwelgende Ballade wie „Nothing“ gerade recht. Auch hier gibt es einige Augenblicke, in denen sich die Band der Dramatik des Stückes halber in lautere Gefilde begibt, die dann aber wieder den sanftmütig dahinschwebenden Passagen Platz machen. Oder man beachte die vollkommen irre instrumentale Mittelpassage von „Dragons“, welche mit manischen Leads vollkommen hypnotisierend wirkt. Der Hardrock ist hier nicht alleiniges Stilmittel, auch softere, versponnen schwingende Songs mit leichtfüssigerem Ausdruck werden kurzerhand eingeflochten, beschwören eine friedvolle Sommerstimmung herauf mit ihrem tänzelnden Beat und der betörende Melodien singenden Leadgitarre. Das war damals, 1969/70 eben noch so Usus, nicht eindimensional zu denken und zu komponieren und doch das Material durch einen markanten Punkt wie aus einem Guss klingen zu lassen. Das ist Sleepy John geglückt. Vergleicht man diese Band mit der heutigen Mainstreamrockmusik, sollte man immer mit vor Ekel verzerrtem Gesicht der modernen, uninspirierten Plastikmucke den blanken Arsch zuwenden, um es mal salopp zu sagen. Entweder wird heute psychotisch gebrüllt, gelangweilt herumgenölt oder gejammert. Sleepy John hatten Leidenschaft und ungezähmte Lust in ihren Stücken, wechselten gerne die Passagen von den Hauptthemen hinein in Jams, aus denen komplett abgeflogene Soloeinlagen oder den Hörer in Trance und Ekstase versetzende Melodien und Läufe hervorgingen. Wie beim eigentlich schwebenden „Seasons“, in dessen Mittelteil nach osteuropäuischer Folklore und Psychedelic Heavyrock klingende Passagen eingegliedert werden, zwischen denen die Band locker und ohne Stockungen wechselt. Der Song allein hat mehr verschiedenartige Passagen als manche Band in ihrer gesamten Diskographie. Er schwillt an, wird sehr intensiv und zwingt Dich zum Veitstanz, er fließt in schwebendere Momente über, gerät in verspielte, Abschnitte hinein mit verdrehten Brücken, wird dann geheimnisvoll und dunkel, rockt bodenständig und endet mit einem Schrei und Gitarrengefiedel nach der Wiederkehr der folkig anmutenden Läufe aus dem Mittelteil. Wow...ich muß mich erst mal setzen. Ein irgendwo zwischen Country und Klamauk angesiedelter Song schließt sich an. „Losing my plow“. Beinharte Rocker mit Scheuklappen werden jetzt laut aufschreien, als komödiantische Einlage ist das hier allerdings sehr erfrischend. Spielerisch, das merkt man gleich, sind Sleepy John bei den hochklassigen Bands zu suchen. Immer wieder bringen sie Einfälle, die das Material sehr abwechslungsreich machen und natürlich erfordern, daß man sich öfter damit beschäftigt. Für reine Hardrockfanatiker wird die Scheibe zum Spießrutenlauf, das kann ich schon jetzt behaupten. Man bringt bluesige Einlagen, die so verschmitzt wirken, daß es schon parodistischen Charakter hat und das nicht einmal, aber man bringt dies so ehrlich und authentisch, daß man es der Band einfach abnimmt. Wenn man sich also an eine sehr vielschichtige Band mit ebensolcher CD herantraut, sollte man sich Sleepy John mit dem selbstbetitelten Erstling auf den Einkaufszettel kritzeln. Genügend Persönlichkeit besitzt hier selbst der standardisierteste Blues, daß man von mangelndem Wiedererkennungswert wohl kaum sprechen kann. Es macht einen Heidenspaß, den vier jungen Herren bei der Darbietung zu lauschen. Ähnlich geartet, vielleicht etwas wilder, war das erste Led Zeppelin Album, welches gut anderthalb Jahre zuvor erschien. Sleepy John hatten leider nie das Glück einer regulären Veröffentlichung, erst 2004 erbarmte sich das US Label Gear Fab, die beiden 70er Aufnahmesessions als CD rauszuhauen. Das Ergebnis spricht für sich.
Die CD ist schön aufgemacht mit Bandgeschichte und Illustrationen. Mit knapp 73 Minuten ist sie auch nicht zu kurz.

Kommentare

Isaías Gomides hat gesagt…
Very good 70s bands...greetings from Brazil
Isaías Gomides hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Friedhof - same

THE HAND OF DOOM - Poisonoise Reissue

Born in 1974...die Top Alben