Shaftsbury - The lull before the storm

(UK, 1979, UK OK Records)

01. Electric woman
02. Liar
03. Captain Lane
04. I who have nothing
05. No no never
06. The lull before the storm
In der NWoBHM Enzeklopädie von 1997, der überarbeiteten Version, kommt diese Band nicht gut weg. "Hardrockversion der Beatles", zu kommerziell und fluffig, naja, naja. Ich hab sie aus dem Gedächtnis gestrichen und dann Jahre später als Download entdeckt. Und verdammt, sie ist gut, diese Band. "Electric woman", der Opener ist ein gemässigt rockender Song mit nettem Refrain, kein besonders aufregender Einstand. Dann "Liar", ein Killer! Treibender, aggressiver Britenhardrock der urtypischsten Sorte, wie von vielen NWoBHM Acts damals gezockt, im Mittelteil mystisch und verspielt mit Synthieläufen, verträumten Passagen und epischen Anklängen. Man denkt, sie halten dieses Niveau, aber "Captain Lane" trübt das ganze wieder ein wenig, da hier netter, unspektakulärer Softrock im typisch amerikanischen MOR Stil geboten wird, der eher an die BELLAMY BROTHERS erinnert oder auf einem CROSBY STILLS NASH & YOUNG Album nicht negativ auffallen würde. Ein leichter Hauch von Melancholie liegt schon darüber und ich kann mir nicht helfen, so etwas wie Sympathie für diesen Losersong zu empfinden. Auf einer Hardrockscheibe ist er eher unwürdig, soviel steht fest. Gut, Ohren zu und durch, denn es kommt der nächste Hammer. Eine progressive Hardrockversion von "I who have nothing", einem sentimentalen Stück, welches schon in den 60ern für Furore gesorgt hat und bereits von den britischen WARHORSE auf der 72er "Red sea" LP als Coverversion verewigt worden ist. Aber SHAFTSBURY stehen den altvorderen DEEP PURPLE Ablegern nicht nach in Sachen Qualität. Das düstere klassische Pianointro sorgt für die nötige pompöse Stimmung, der Gesang ist emotionsgeladen, leidend und schön ehrlich, der Song zwar recht ruhig mit vereinzelten harten Gitarrenakkorden und schönem Hintergrundkeyboard, aber es ist diese tiefe Leidenschaft, die hieraus spricht. Außerdem ist das Stück einfach geil, das kann man kaum kaputtspielen. Ein verträumter Mittelpart weckt Erinnerungen an die MOODY BLUES der späten 60er, dann kommt eine dramatischere Passage, bevor wieder in Pomp und Symphoprogsound geschwelgt wird. Ja, es ist eher ein softerer Rocksong, aber durch die gefühlvolle Darbietung absolut eindringlich. Eine Boogiepassage mit Killersolo und bluesigen Gesangsausbrüchen des Frontmannes beschließt das gute Stück. Ich weiß, dass der geneigte Metalbruder hier nicht unbedingt einen Orgasmus bekommt, aber wer 1979 auf wirklich guten Mainstreamhardrock mit dezent progressivem Ausdruck stand, der wird garantiert auf seine Kosten kommen. "No no never" ist dann ein treibender Heavyboogie mit kraftvoller Gitarrenarbeit und absolut coolem Refrain, ein Hitsong, der auch bei UFO nicht negativ auffallen würde. Der Mittelteil ist dann ruhig, sentimental und melancholisch, sehr verträumt. Hier kommt nochmal der Gedanke an die "Hardrockversion der BEATLES" auf, aber hey, die Qualität stimmt. Ein cooles Soloduell zwischen Synthesizer und Gitarre bestimmt den weiteren Verlauf und sorgt für Stimmung. Hab schon schwächere Bands gehört. Dem Album liegt eine Kozeptgeschichte zugrunde, die auf dem Schiffbruch von Captain Lane 1803 basiert. Das Kernstück der Scheibe ist dann der Titelsong, ein Longtrack über eine ganze Plattenseite, der oft in versponnen ruhigen Epicprogrockgewässern fischt und erste Neoproganleihen zeigt. Tolle Melodien, spannende Abläufe, leider ein etwas dünner Sound, der für mich den Schwachpunkt der Platte darstellt. Ansonsten sollte man nicht meckern, wenn man sich auf progressiven Hardrock einstellt, der auch gerne AOR Anleihen haben darf. Ich suche mal das zweite Album von 1981 und berichte darüber. Es soll kürzere, härtere Stücke beinhalten. Der "The lull before the storm" Epos berührt den Hörer wirklich tief, wenn er sich wirklich darauf einlässt. Urenglischer Heavyrock wird nicht ausgespart inmitten all der Melancholie und der verträumten Momente und hier klingt die Band richtig dramatisch, mitreißend und eindringlich. Ein kleines Juwel, für das ich allerdings keine Unsummen hinlegen würde. 8/10

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