Serene - Serene
(D, 1979, Private, 40 min)
01. Does it matter at all
02. Serenity
03. Dream stagnation
04. Adrift
05. Your magic door
06. A new man
07. We'Ve only just begun
1979, die Zeit für klassischen Prog war vorbei, die meisten Krautrockbands waren bereits im Niedergang begriffen und die NDW kam mit großen Schritten auf uns zugestürmt, während in England NWOBHM und Neoprog das Szepter schwangen. Tja, irgendwo dazwischen veröffentlichte die Band SERENE aus Deutschland ihr selbstbetiteltes Debüt, welches wohl auch ihr einziges Album blieb. Schlagzeuger Jim McGillivray kam von den Hardrockern EPITAPH, deren 74er LP "Outside the law" immer mal wieder für kleines Geld zu kaufen und wirklich sehr zu empfehlen ist. Nach SERENE hat er sich bei ELOY niedergelassen und genau das hört man hier auch. Entspannt und symphonisch pompös gehen die Jungs in die erste Runde mit einem nachdenklichen "Does it matter at all". Der mittelhohe, klare Gesang hat schon was von vielen britischen Hardrockbands, die Musik ist erst getragen, wird dann energetischer, allerdings nicht zu heavy. Die Orgel und der Synthesizer bleiben vorerst Leitinstrumente, Rückgrat der Komposition. Ein solider, mittelschneller, leicht verspielter Rocksong mit entspannter Melodie entwickelt sich. Ich komme nicht umhin zu sagen, dieses Stück erinnert mich an ein paar Britenbands. Ja, 1979, NWoBHM und SERENE irgendwie mittendrin, obwohl die Britmetalbewegung noch gar nicht so weit vorausgeschossen ist und diese Band hier eindeutig Symphonicrock spielt. Wunderschön sind hier die melodischen Synthesizerläufe, welche vordergründige Gitarren gar nicht missen lassen. Bass und Schlagzeug sorgen für einen guten Drive. Ruhig und verträumt geht es weiter mit "Serenity". Heiterkeit, Gelassenheit ist die Bedeutung im Deutschen, wobei diese Band weniger Heiterkeit als vielmehr Gelassenheit ausstrahlt. So kann man dann auch den Bandnamen mit "gelassen" übersetzen. Ja, ganz entspannt bauen sie ihre schwebenden, episch anmutenden Läufe auf. Beim Titeltrack geht es nach einer majestätischen Progrockpassage sehr sanft und träumerisch weiter mit üppigen Synthiesphären und betörender Melodie, emotional bereits bis zum Bersten überladen. "Serenity" bleibt ein Instrumental mit einer Atmosphäre zum Zurücklehnen, in die hinein man sich getrost fallen lassen kann, soviel Geborgenheit offeriert sie. Etwas kräftiger beginnt "Dreamy stagnation" mit hypnotischem Beat und einem tollen Orgel / Synthie Zusammenspiel. Die Gitarre fällt leider nicht so aus der Rolle, wie ich mir das als Rockfanatiker manchmal wünsche, aber der Song an sich hat Stil. Entspannt, sehr entspannt klingt die Gesangsmelodie. Fantasievoll spacige und erdig soulige Momente wechseln sich ab. Die Gitarre ist clean und wird leicht funky gespielt, wobei sie eben nicht so hervortritt. Dem Keyboarder gehört die Welt. So unaufregend sich hier manchmal die Musik präsentiert, es steckt sehr viel dahinter. Im Vergleich mit dem zeitgleich rausgekommenen "Silent cries and mighty echoes" von ELOY sind SERENE eher Popprog und AOR, machen ihre Sache aber echt fein. Viele Stimmungen haben auch was von den Ostbands jener Tage, insbesondere den Ungarn. Die Melancholie in der Entspanntheit. "Adrift" ist ein schöner verspielter Song, der zwischen Melodicrock, Fantasyprog mit Frühsiebzigerfeeling und Spacepop herumfliegt. Tolle verdrehte Parts, eingängige Passagen mit tanzbarem Beat, hymnenhafte Melodien, sowie ein einfaches, aber sehr intensives Gitarrensolo mit Spaceeffekten machen diesen Song aus. Für das Jahr 1979 in der Tat ein übliches Stück Musik, den Progrock der früheren Jahre in die Zukunft führend und recht geschmackvoll mit ausgewählten Mainstreamelementen anreichernd. Wird für viele Puristen nicht mehr so spannend sein, aber gutklassige Musik ist eben gutklassige Musik. Die britischen DAWNWATCHER, welche es nur auf ein Demo und zwei Singles zwischn 79 und 82 brachten, hatten eine ähnliche Ausrichtung. Nicht wirklich hart, aber sehr intensiv und gefühlsbetont. "Your magic door" hat eine spannende, pompöse Eröffnung, wird dann jedoch nicht laut und wild, sondern sanft, sehr sanft. Wieder ein getragener Song, auf dessen Schwingungen man sich treiben lässt und die Zeit wegträumt. Eine die Spannung und Dramatik anfeuernde Passage kommt auf, dann wieder die pompös theatralische Eingangspassage mit wunderschönem Gitarrensolo. Hier scheinen die ungarischen OMEGA sehr massiv durch. Mag sein, dass die Rockgrößen von der Donau tatsächlich einen Einfluss in Deutschland hatten, waren sie doch Brüder der SCORPIONS. Nun, wie auch immer. SERENE erinnern mit ihrem Symphorock an viele andere Bands, haben aber einen einschmeichelnden Sänger mit Charisma und gute Musiker respektive Komponisten am Start. Bei "Your magic door" steigert sich die Band nach dem Solopart in eine Art Refrainschleife mit sehr stark emotionalem Ausdruck und dem Brodeln nahem Orgelspiel. Sie hätten tatsächlich eine späte Canterbury Band sein können, wozu aber die Symphokomponente nicht passt. Zwischen allen Stühlen und immer schön am Trend vorbei. SAGA, die kanadischen Helden des neuen Symphoprogs waren doppelt und dreifach so flott und spektakulär, ELOY waren epischer und überfrachteter, zudem auch länger dabei, die alte Progszene starb langsam vor sich hin. Klar, dass mit einem solchen Brückenschlag zwischen den Zeiten irgendwie kaum Land im kommerziellen Sinne zu gewinnen war. Aber, ach, angesichts der Qualität dieses Albums ist es egal. "A new man" ist ein optimistisches Stück, das diese Scheibe lebensfroh und hoffnungsvoll weiterführt. Wieder gibt es proggige Eruptionen, sanft dahintänzelnde Popmomente mit betörender Melodik, ergreifende Synthesizer - und Orgelpassagen. Dann geht es mit dem ebenso optimistischen Motto "We've only just begun" in die letzte Runde. Man weicht nicht ab vom Kurs. Relaxte Rhythmen, eine angenehme Leadgitarrenmelodie, die Hoffnung und tiefe Melancholie zugleich versprüht, sogar einige hardrockigere Breaks, eine sehr spacige, düstere Strophe, SERENE wollen es noch mal richtig wissen. Sie zeigen es uns mit viel Leidenschaft und halten locker mit den englischen Neoproggern mit, die einige Jahre später das Feld beherrschen sollten. Gerade weil sie zwar entspannt, jedoch nicht zu elegisch sind, gerade weil sie auf Bombast, Mystik und Popappeal setzen. Für Freunde von verlorenen Schätzchen im Symphorock / - prog Bereich mit deutlich zukunftsorientiertem Blickfeld ein gefundenes Fressen. Das letzte Stück blüht dann voll auf, perlende Synthesizerleads, eine packende Interaktion von Orgeln, Gitarre und Synthies über einem angenehm schwebenden Rhythmusteppich, tolle Melodien und dann ein abruptes Finale. Sehr gut! 9/10
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