ABYSMAL GRIEF - Misfortune


(2010, Black Widow Records, Italien, 48.05)
01. Ignis Fatuus
02. Cadaver Devotion
03. Crypt of Horror
04. The Arrival of the Worm
05. The Knells Accurse
06. Resurrecturis
Dunkel sind die Hüllen des Todes. Und da der Tod eine Hauptrolle in der spirituellen Welt des Regen Graves aus der italienischen Hafenstadt Genua spielt, ist wohl klar, dass auch seine Musik entsprechend von Dunkelheit geprägt ist. Nachzuhören auf den älteren EPs der Band ABYSMAL GRIEF und ihrem grandiosen Debütalbum von 2007.

Nach drei langen Jahren schmieden die Horrordoomer, welche sich nunmehr als echte Band präsentieren, ein neues, sehr morbides Langeisen, gelegen zwischen den musikalischen Polen Gruftrock und Doom, von letzterem die erdig brodelnde Variante. Gleich der Opener „Ignis fatuus“ saugt den geneigten Fanatiker dunkelster Musik tief in die Abgründe der Verdammnis mit einem Gesang, der wegen seiner tiefen und dämonischen Lagen direkt aus einer feuchten, verwurmten Gruft zu stammen scheint. Dabei aber sind nach wie vor Harmonien in der kehlig knurrenden Stimme auszumachen. Der Einfluss des beschwörenden Gothicrocks der 80er ist hier deutlich spürbar. Die alten FIELDS OF THE NEPHILIM lassen grüßen, obschon ABYSMAL GRIEF einen anderen Ansatz einbringen und wesentlich minimalistischer als die verspielten, beinahe progressiven Briten zuwerke gehen und genüsslich auf simplen, aber effektiven Läufen verbringen herumschwanken können, als wären sie gerade frisch dem Grab entstiegen.

Der Opener hat einen entspannten, aber doch treibenden Groove und im Solopart eine aufgewühlte, kochende Leadgitarre zu bieten. Das zweitplatzierte „Cadaver devotion“ legt noch gut anderthalb Minuten an Länge drauf und stapft rhythmisch gesehen hypnotisierend daher, wie bei einem rituellen Urvolktanz, abgesehen von den kriecherischen Passagen reinen Dooms. Stets omnipräsent sind Keyboards respektive Orgeln. Gespielt vom passionierten Zylinderträger Labes C. Necrothytus, der auch für die schaurige Stimme die Verantwortung trägt und seit jeher das charismatische Antlitz dieser Band prägte.

Ein paar Schritte auf einem Weg aus Sand und Kieseln, das Klappern eines Eisentores, dann ist man in der „Crypt of horror“. Eine herrlich schmierige Orgel wie aus Horrorstummfilmen der 20er Jahre spinnt eine süßlich nach Verwesung duftende Melodie über brachiale, straight groovende Riffs. Auf allem thront wieder Necrothytus mit seinem faszinierend bösartigen Gesang. Abwechslungsreichtum? Hört mir auf. ABYSMAL GRIEF wollen Euch einspinnen, wollen Euch hypnotisieren und Eure Seele aussaugen, das schaffen sie mit der gekonnt monotonen Inszenierung ihrer Stücke, welche auf gewisse Weise eine nicht unerhebliche Eingängigkeit mit sich bringt. Die Chembaloklänge im hinteren Abschnitt des Songs, welche wohl statt eines Gitarrensolos als Zierde dienen, haben schon einen Ausdruck von Besessenheit. Gespielt werden sie virtuos, gemahnen an die Abritte alter Progrockhelden und gerade an denen mangelte es im Italien der 70er gewiss nicht.

Eine sehr düstere, sakrale Orgelmelodie und ein Horrorfilmsynthesizerlauf vereinen sich zur Einleitung von „The arrival of the worm“, einem der kürzeren Tracks hier. Diese Melodie walzt voran, ab und an von eintönig klingenden Glocken durchzogen. Darüber fängt Necrothytus nach einer Weile an, beschwörende Formeln zu murmeln. Wen er da nun heraufbeschwören möchte, wer dieser Wurm sein soll, das möchte man gar nicht wirklich wissen. Dieser nicht ganz Viereinhalbminüter verharrt auf den komplett dementen Orgel – und Synthesizerläufen, die im weiteren Verlauf immer mehr an Irrsinn zulegen, ohne ihren monotonen Gang aufzugeben.

Eine Kirchenglocke läutet mit einem dumpfen Schlag „The knells accurse“ ein, wieder sägt sich brodelnd die ultimativ verzerrte Doomgitarre durch ständig wiederkehrende Akkordfolgen, wiederum setzen sich mysteriöse Keyboards wie die Patina vieler Jahrzehnte auf ihren Strukturen ab. Gewisse Passagenwechsel halten das Lied spannend. Es ist und bleibt jedoch ein absolut sinisterer Kultdoom und durchgehend, bis auf wortloses Grollen und Ächzen im Hintergrund, instrumental. Die schweren Riffs und die makabren Orgelmelodien führen diesen Song. Ein prototypisches Doomsolo mit rollenden Noten, einer klagend jaulenden Gitarre entrissen, brennt und schneidet Dir die Sinne frei. Fahrt wird aufgenommen zum Ende des Stückes hin, die letzten anderthalb Minuten gibt es sogar rollende Doublebass Drums. Verwirrendes Glockenspiel lässt nicht nur meine Gesichtszüge, sondern gleich all meine Sinne entgleisen. Wow…

Höhepunkt dieser Horror Musik Orgie ist dann mit dreizehn Minuten „Resurrecturis“, der Rauswerfer. Die Riffs sind typischster Doom, auf ihnen liegen beschwörend erhaben düstere Orgeln. Dann kommt wieder Necrothytus mit seiner grollenden Grabesstimme und zeigt, wie der Zusammenschluss von BLACK SABBATH und den FIELDS OF THE NEPHILIM klingen könnte. Ein herrlicher Schlusspunkt für ein sicher fernab aller Mainstreamkonventionen und aller Genredogmen des wahrhaften Dooms liegendes, großes Album mit charismatischer Ausstrahlung. Als Horrorliebhaber wird man um diese Scheibe kaum rumkommen. Die Zukunft im Doomunderground gehört wegen ihrer querköpfigen Gothic / Doom Kreuzerei dieser Band. Nach knapp der Hälfte Spielzeit nehmen ABYSMAL GRIEF alle metallische Wucht aus dem Stück und lassen einen Bass eintönig grummeln, setzen Windrauschen ein und lassen es zwei Minuten drauf wieder herrlich krachen.

Für wagemutige Doomverfechter, die sich mit einer tiefen, grollenden und doch harmonischen Stimme anfreunden können. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass ABYSMAL GRIEF sich zwar sehr stark mit dem Tod auseinandersetzen, dies auch auf eine sehr spirituelle Weise, jedoch mit Blackmetal und dergleichen nichts zu tun haben. Ihre Symbolik ist durchweg christlich geprägt, auch wenn man hier nicht selten eine hinterfragende Position vertritt. Alles in allem ein grandioser Bastard aus Doom und 80er Gothicrock der finstersten Sorte. Ich bin großer Fan.

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