BONE MAN / BURN PILOT / MOEWN 01.09.2014, BAR 227 / HAMBURG

BONE MAN, die liebenswert einzigartigen Fuzzrocker aus Kiel, hatte ich vor diesem Gig bereits sieben Mal innerhalb von 13 Monaten angeschaut und das letzte Mal war eine gute Woche zuvor auf dem FEHMARN ROCKT Festival (gesonderter Bericht). Ich bin bis heuer nicht müde, mir BONE MAN live zu geben und da ich ohnehin noch ein Exemplar des neuen Albums aus der Miniauflage von 100 Stück in klarem Vinyl vorbestellt hatte und abholen wollte, kam mir der Auftritt in Hamburg doch recht. Kiel am Freitag zuvor und Heide am Samstag musste ich leider ausfallen lassen, daher war die BAR 227 an der Max – Brauer – Allee im Hamburger Stadtteil Altona mein Ziel, mir unbändigen Fuzzrock zu geben und nebenher noch neue Musik von BURN PILOT aus Bielefeld und den ortsansässigen MOEWN zu geben. Mit meiner großartigen Weggefährtin Mindy ging es von Itzehoe aus auf die Autobahn und dann ab in die Hansestadt, sehr früh im Grunde für ein gemeinsam besuchtes Konzert, aber man wollte sich ja auch vorher noch mit den Freunden und Bekannten vor Ort unterhalten und eben auch entspannt aufschlagen. Die BAR 227 liegt in der Nähe einer Kreuzung von Max – Brauer – Allee und Stresemannstraße, die ASTRA STUBE, wo ebenfalls schöne Undergroundkonzerte laufen, quasi in Steinwurfweite. Die Gegend an sich ist eine der eher bunteren in der Innenstadt Hamburgs, man sieht viele junge Leute mit eher alternativem Background, einen farbenfrohen Mix von Menschen verschiedenster Nationen und auch einen guten Anteil an Mitbürgern aus niederen sozialen Rängen. Neben einem Bürogebäude mit modernerer Architektur findet sich wenige Schritte weiter ein Bauwagencamp, wo Punks, Hippies und Aussteiger ein freies Leben führen wollen. Graffitis und leider noch mehr Schmierereien überall an den Hauswänden. Dann lagen in einem Hauseingang Bücher. Es schien so, als wäre dies als eine Art Strassenbibliothek gedacht. Die Buchinhalte waren allesamt eher esoterischer und politischer Natur. Ich erlaubte mir, ein wenig Lesematerial zum Thema „Wassermannzeitalter“ mitzunehmen. Mir war die Gegend zwar leicht suspekt, aber die Atmosphäre war bei aller Schmuddeligkeit doch noch relativ angenehm, wie dann auch der Rest des Abends sein sollte. Auf ging es zur Lokalität, vor der schon das Tourgefährt (T3 oder T4? Ich schaute nicht genau hin) parkte. PINK TANK RECORDS Labelchef Jan wurde als erstes begrüßt, hiernach die BAR 227 gestürmt und es kamen Arne, Marian und Ötzi von BONE MAN mit Handshakes und Umarmungen an die Reihe. Das neue BONE MAN Album „Plastic wasteland“ wurde sogleich verhaftet und kurz zum Auto getragen, dann machten Mindy und ich es uns zwischen Mischpult und Merchstand gemütlich und nahmen die Bar noch etwas genauer in Augenschein. Es geht vom Eingang eine Treppe runter in die Bar hinein, direkt vor einem der Tresen, darüber hängen seltsame Lampen, deren Schirme einmal Schnapsflaschen waren. Links herum hinten am Fenster zur Strasse standen Merch und Mischpult, , rechts war eine Sitzecke in Bühnennähe. Die Wand hinter der Bühne wurde von einem riesigen Hendrix Bild geziert. Überall fand man Accessoires der Rockgeschichte als Deko. Ein wunderschöner Laden, der Bock auf den Abend und den allerersten Gig der Postrocker MOEWN aus Hamburg machte. Dieser sollte dann auch stilecht mit einem Intro aus leichtem Meeresrauschen und Möwengeschrei beginnen. Das Trio aus Hamburg spielte sich bei diesem Debütgig in einen Rausch der Melodien. Ihre Musik war rein instrumental, hatte massiv stampfende doomige Parts dabei, treibend rockende Abschnitte und schwebende Momente von betörender Erhabenheit. Sie bezeichnen ihren Stil selbst als „Desert Post Rock“ und die melodische Intensität und Erhabenheit des Post Rock, sowie die brütende Schwere und hypnotische Art des Wüstenrocks vereinen sich tatsächlich in ihrem Klangbild. Die Leadgitarre rockte eher clean, aber stets kraftvoll gespielt die leider spärliche Besucherkulisse. Gitarrist Ben weiß sehr gut, was er hier wann zu spielen hat. Ich hatte immer das Gefühl, Improvisation und klar strukturierte Komposition stehen in einem guten Verhältnis zueinander. Insgesamt erhob die stets harmonische und entspannte Musik Deinen Geist auf eine andere Ebene, sogar mir ging es so, auch wenn ich an diesem Abend eher dehydriert und recht unentspannt war. Ein Rätsel ist dies, aber manchmal hat man sowas. MOEWN sind eine Band, die ich definitiv im Auge behalte. Die Klangreise, auf die sie mich mitnahmen, war eine spirituelle Wohltat und bis in den hintersten Winkel der Seele inspirierend. Eine nette Plauderei mit Drummer Tim ergab sogar gemeinsame Bekannte in Itzehoe und erhöhte die Chance sogleich, mal ein feines Konzert mit DIE VOID und MOEWN zu organisieren. Schöner Einstieg in einen musikalisch fantastischen Abend. Mindy stimmte mir da sofort zu und ist jetzt schon epicht darauf, sich Tonträger und Merchandiseartikel der Band zuzulegen, sobald sie denn welche haben. Von MOEWN werden wir bald noch mehr hören. Nun waren die Jaffe Brüder Sidney (Schlagzeug / Gesang) und Joel (Bass) mit ihrem Gitarrenhexer Jonas an der Reihe. BURN PILOT wollten mich für sich gewinnen und sie schafften dies auf Anhieb. Auch wenn sich der Club nur unwesentlich weiter gefüllt hatte, donnerte das trotz zehnjährigen Bestehens noch sehr jugendliche (Sidney ist z.B. erst 22) Trio einen wilden Rock aus den Boxen, der sich zwischen wild tosenden Eruptionen, betörender Wüstenschwere und entspanntem Umgarnen der Sinne mit eigenwilligen Melodien bewegte. Sidney als Schlagzeuger und Sänger ist ein Blick – und Wildfang. Er singt und shoutet ganz locker seine Botschaften in die Welt hinaus, während er wie ein Berserker auf die Felle eindrischt, dies auch noch mit einer großen Präzision und vollkommen frei. Er ist einer dieser wunderbaren Musiker, die sich beim Spielen von störenden Gedanken befreien können und komplett in der von ihnen erschaffenen Klangwelt aufgehen. Von der Intensität her erinnerte mich die Band an mir nur von schlechten Livevideos her geläufige Auftritte solcher 60er Legenden wie MC 5 (allerdings ohne echten Frontmann) oder BLUE CHEER, rein vom Spirit her hatten sie ebenfalls viel von den alten Bands, obgleich sie stilistisch her moderner sind und trotz verspielterer Momente, die schon beinahe an alte Krautrockfreakouts denken ließen, kommen sie wesentlich direkter und wütender. Punk, Doom, Sludge, Heavypsyche und Wüstenrock vereinen sich zu einer sehr eigenständigen Musik. Dazu passt auch die vollkommen entfesselte Performance, bei der Jonas schon mal eine Bohrmaschine über den Tonabnehmern seiner Gitarre ertönen lässt, auf dass sich die Schallwellen übertragen und komplett fertige Sounds erzeugen. Joel war dieses Mal der ruhige Part, der rote Faden, der das Spiel der Band zusammenhielt. Mindy und ich standen auf unserer Position zwischen Mischer und Merchandise mit offenem Mund und konnten nicht anders als uns nach dem Gig mit Tonträgern von BURN PILOT einzudecken. Ein Review zum neuen Album auf PINK TANK RECORDS folgt noch gesondert. Spielfreude, Leidenschaft, große Kreativität und liebenswerte Bodenständigkeit kommen hier zusammen und befeuern die drei Jungspunde. Wir haben uns noch wunderbar mit Sidney unterhalten und gerade Mindy war sehr angetan von dem kleinen Mann. Um seiner nach eigener Aussage leicht belasteten Stimme ein wenig Gutes zu tun, gab ich ihm noch ein Röhrchen Gelorevoice Tabletten, wie ich sie gerne vor Auftritten benutze, sollte es denn notwendig sein und Sid nahm sie dankbar entgegen. Verdient hat der lütte Irrwisch sich das. Großes Kompliment an die Jungs aus Bielefeld. Inzwischen war es spät, die Abendkasse hatte dicht gemacht und BONE MAN spielten sich in einen Rausch großartiger Riffs und Melodien. Allen voran Master Marian, der seine Gitarre irrwitzig brodeln und jaulen lies, dabei aber immer eine wundervolle Harmonie von den Saiten kitzelte und wie eh und je durch relative Wortkargheit zwischen den Songs, aber einen unglaublich gefühlvollen Gesang seine Einzigartigkeit unterstrich. Das obligatorische Pflaster auf der Wange der letzten 13 Monate scheint nun Vergangenheit zu sein, aber das ist eben auch nur eine unbedeutende Äußerlichkeit. BONE MAN haben mit Arne und Ötzi zudem eine Rhythmuscrew, die wild und ungestüm die Stücke vorwärtstreiben, sich aber auch zurücknehmen kann, wie im erhabenen Fuzzfolk „Wayfaring“. Sie spielten viele Stücke des neuen Albums „Plastic wasteland“, einer Orgie an jaulendem Gitarrenrock, der sich bei aller Leidenschaft für die entfesselten Soundorkane der Spät 60er Kultbands wie MC 5 oder STOOGES mit beiden Beinen im Jetzt hält und noch am ehesten den US Underground der späten 80er und frühen 90er, aus dem dann der Kommerzgrunge herauswuchs, als musikalische Verwandtschaft akzeptiert. Da Mindy sich draußen mit Sidney von BURN PILOT unterhalten wollte, genoß ich zusammen mit all den anwesenden Phreaks die Show der drei Kieler und wurde von den Hits der Band hinfortgetragen. Konnte ich mich auch irgendwie nicht so recht entspannen an dem Abend, in dem Moment, wo der BONE MAN Auftritt stattfand, war ich wie in einer magischen Wolke gefangen und wurde von der Musik durchdrungen. Und ich sage nicht umsonst „Hits“, denn selbst die relativ neuen Songs von „Plastic wasteland“ waren mir durch das eine oder andere vorher besuchte Konzert schon im Ohr, zumindest jene, die bereits gespielt worden waren. Mein persönliches Highlight war natürlich „Closer tot he sun“, aber das ist auch ein Übersong. Wie bei SABBATH „Paranoid“ und bei AC/DC „Highway to hell“, so ist bei BONE MAN eben „Closer to the sun“ die Nummer schlechthin. Ich hoffe, sie können damit leben. Der Sound war bei BONE MAN am schmutzigsten, aber ich denke, dass es gar nicht anders sein darf. Die Drei spielten sich in einen Rausch und bis an den Rand der Erschöpfung, wobei ich bei Ötzi fast der Meinung war, er hätte diesen Rand überschritten. Ein Wahnsinniger am Schlagzeug. Aber das gilt für alle Knochenmänner. Arne bearbeitet seinen Bass vollkommen befreit und entfesselt, hat aber stets den richtigen Kurs beim Takthalten und Marian rotzt mit seiner urig schmuddeligen Gitarre zwar herum, als gäbe es kein Morgen mehr, zeigt sich trotzdem stets technisch versiert. Die Boys haben es einfach drauf. Halleluja! 24 Jahre früher und sie wären jetzt schon eine der Megabands, aber das kommt sicher noch. Urig war dann auf jeden Fall noch der recht strahlige Afrikaner, der sich nicht recht einig war, ob er sich nun in die BAR 227 verirrt hatte oder ob er von göttlicher Hand geführt wurde, die allerbeste Rockmusik seines Lebens zu hören. Seine planlose Strahligkeit brachte ihn allerdings auch in eine relative Außenseiterposition und so dackelte er letztendlich ab, nachdem er Mindys Drink umgeschüttet und BURN PILOT Basser Joel zum Luntenrollen angestiftet hatte. Rauchen durfte er sein Kraut alleine, das war allen Anwesenden nicht geheuer. Ich bin in den Laden verliebt, in die Bands ohnehin und in den Abend, den mir als positives Erlebnis niemand mehr streitig machen kann. Das SAUTRUS Konzert an gleicher Stelle musste ich zwar leider sausen lassen, aber ich merke mir die BAR 227 als geile Location.

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