WHILE HEAVEN WEPT - Vast oceans lachrymose


(CD, 2009, Cruz Del Sur, USA, 42.17)
01.The Furthest Shore
02.To Wander the Void
03.Living Sepulchre
04.Vessel
05.Vast Oceans Lachrymose
06.Epilogue
Eine der schönsten Platten im gesamten Doommetalbereich kam 1999 auf den Markt, hieß „Sorrow of the angels“ und war so dunkel und traurig wie meine Stimmung damals selbst, vor Schmerz über eine nicht erwiderte, eine verlorene Liebe. Wow, das Album sass perfekt. Vier Jahre später dann die Wendung hin zu Euphorie und Glückseligkeit mit „Of empires forlorn“, einem symphonischen (das war „Sorrow of the angels auch schon“), von Elementen des epischen 70er Rocks und Progs durchzogenen Schweben, welches so zauberhaft war, dass man es als durchschnittlicher Erdwurm kaum in Worte zu kleiden vermag. Sänger Tom Phillips, was sag ich, Sänger, nein, MASTERMIND Tom Phillips (nur echt mit Doppel L) hatte sich gar nicht verändert, nur der Ausdruck in seinen Kompositionen und seiner Stimme war ein anderer, überschwenglich lebensfroh, fröhlich und erhaben. Jahre dauerte es, bis sich WHILE HEAVEN WEPT endlich den Nachfolger aus den Rippen leiern konnten und diesmal sind die Änderungen gravierend. Tom hat sich die gesamte amerikanische Prog / Epic Rock Band BRAVE als Verstärkung herangeholt, sein alter Spezi und „Hans Dampf in allen Gassen“ Basser Jim Hunter (REVELATION, TWISTED TOWER DIRE, LORD VICAR, OCTOBER 31) ist mit von der Partie und ein neuer, nun hauptamtlicher Sänger ist dabei. Kann das gutgehen? Ich vermisse Tom keine Sekunde am Mikro, denn seine Kompositionen, einfach nur „Songs“ dazu zu sagen wäre eine Vermessenheit, sind geblieben, sind größer, wilder, fordernder und entschlossener denn je, so episch wie nie zuvor, allerdings „nur“ genauso emotional wie schon 1999 die „Sorrow of the angels“ Scheibe. Tom hat einen einzigartigen Kompositionsstil, der auch bei einer Big Band Besetzung durchscheint, mit betörenden Engelsmelodien, mit traurigen, zornigen, himmel hoch jauchzenden Riffs, schwebenden Leadgitarren, Keyboardsphären, die Dich in Abgründe saugen, aus denen Du nicht mehr emporzuschweben vermagst. Und für Doomverhältnisse angemessen haut die Band dann auch gleich zu Beginn einen fast sechzehnminütigen Kracher raus, der alle Register zieht, mit spannenden, kraftvollen Metalabfahrten, ruhigen, verträumten und doch so üppig schwelgerischen Symphodoompassagen, die in Dir sämtliche emotionalen Sperren lösen und die Herrschaft über alle Sinne aus der Hand nehmen, dramatischen Abschnitten und wiederum von Sanftmut und inniger Liebe geprägte Parts. Ein grandioses Wechselspiel von Gefühlen, von Stimmungen. WHILE HEAVEN WEPT sind mehr Metal als jemals zuvor, haben sich mit „To wander the void“, dem zweiten Song ganz frech ein Stück aus dem Handgelenk geschüttelt, welches die FATES WARNING Phase mit John Arch rezitiert, zuweilen bei den wortlosen, mit heller, hoher Stimme gesungenen Chören auf sehr ehrliche und sympathische Weise sogar die alten Helden schamlos kopiert, was man als Ziehen des imaginären Hutes vor den einzig wahren FATES WARNING sehen kann. Aber diese alten Epicmetalelemente sind bei den heutigen Progmetalkönigen ja gänzlich aus dem Programm gewichen und wenn sich ein Jim Matheos dafür schämt, dann darf sich ein wirkliches Genie wie Tom Phillips daran bedienen wie es ihm gerade richtig erscheint. Sogar für eine kurze akustische Passage ist Zeit und hiernach für rasante, alles zermalmende Powermetalwucht und ich meine POWERMETAL in bester amerikanischer Tradition mit feurigen Leadgitarren, die dem Song an sich noch ein Quentchen mehr Wahnsinn schenken und mit fettesten, prägnanten Riffs. Der neue Sänger brilliert hierbei ohne Ende. Doom kommt natürlich nicht zu kurz, es sind träge dahinschleichende Rhythmen und tonnenschwere Akkordfolgen mit eben jenen wunderbaren Leadgitarren darüber. In sachtem Trab kommt die schwere Kavallerie in Form von „Living sepulchre“ hintenangeritten, um dann in einen flotten Gallopp umzuschwenken. Der Song hat klassische Elemente in seinen Gitarrenmelodien, dann wieder die typischen Tom Phillips Riffs nur eben auf Speed. Seine Atmosphäre ist sehr räumlich, erhaben und majestätisch. Und hier passiert viel, das Stück ist vertrackt, es ist nicht so geradlinig, wie seine oberflächliche Eingängigkeit glauben machen will. Sind sie Prog? Metal mit barocker Klassik vermischt? Doom auf 45? Egal wie IHR es nennt, sie sind WHILE HEAVEN WEPT, wunderschön, treu zu ihrem ureigenen Sound und absolut orthodox. Innovationen wollt Ihr? Sucht die woanders, bei WHW gibt es das nicht. Die akustischen, an alte traditionelle Musik angelegten Instrumentalpassagen sind orthodox, melodische Läufe mit nachdenklich stimmenden Melodiebögen sind orthodox, das kräftige Dahinwalzen in bester Doommetaltradition ist, ja, traditionell und eben orthodox. Und wieder sind nur Hymnen am Start, nur Hymnen! Du kriegst übrigens den Übergang von „Living sepulchre“ auf das wunderschöne „Vessel“ gar nicht mit, weil Du mit allen Sinnen genießt und in größten Gefühlen schwelgst. Die Bildhaftigkeit und tiefe Mystik solcher Bands wie ELOY, das Pathos von JANE, der alte deutsche Pomp wird hierbei nicht abgelegt, aber die Wucht des Heavy Metals ist weiter in den Vordergrund gerückt. Wie ich sagte, mehr Metal waren sie noch nie zuvor. Dies ist eine Platte, die Deine Seele reinigt, wenn Du zu Tode betrübt bist, die Deinen Zorn besänftigt, wenn die Welt Dich anpisst und die Deine Wunden reinigt und liebevoll bis zur Heilung pflegt, wenn Du zutiefst von einem dieser tumben Würmlinge verletzt wirst. Zwei weitere Stücke gibt es nach dem Quartett der höchsten Lüste noch zu hören, zwei besinnliche und doch schwere Instrumentalsongs, die ganz eindeutig der letzten Platte „Of empires forlorn“ einen Abschiedsgruß zuteil werden lassen. Lebe wohl, Du alte WHW Zeit, schön war es mit Dir, doch die neuen Zeiten sind noch güld'ner, glänzender und erhabener. Wem soviel Pomp und Pathos die Birne verhagelt, sollte sich natürlich lieber solche Kleinode wie die neue IRON MAN zu Gemüte führen, denn das ist die andere, roh energetische, erdige Seite des Dooms. WHILE HEAVEN WEPT sind Engelsmusik, ein klanglicher Zauber, in jeder Note eine gewaltige spirituelle Macht.

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Was für ein Review! Hab mir eben das Meisterwerk angehört und das Review dazu gelesen. Musste fast heulen vor so viel Schönheit.
Acrivanor hat gesagt…
Das Album des Jahres, wenn nicht das Album der Dekade!
Selten so viel Schönheit in unter einer Stunde gehört...jeder Song passt!

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