Campo Di Marte - same (Italien, 1973, Mellow Records)


(CD / LP, 7 Songs, 40.43 min)
01. Primo Tempo
02. Secondo Tempo
03. Terzo Tempo
04. Quarto Tempo
05. Quinto Tempo
06. Sesto Tempo
07. Settimo Tempo
1973 war ein großes Jahr für den progressiven Rock und die Italiener wollten dahingehend nicht hintenanstehen. Ein Stiefelklassiker des Jahres ist sicherlich das Debüt und leider einzige Studioalbum von CAMPO DI MARTE aus Florenz. Ein ambitioniertes Werk abseits der üblichen Popmusikschemata. Es werden rockige mit folkigen oder klassisch inspirierten Passagen vereint, romantische Augenblicke von innigster Schönheit explodieren in sehr emotionsgeladenem Hardrock. Eine majestätische Ausstrahlung ist dem Album zu jeder Sekunde zu eigen. Es sind sieben Stücke vertreten, die keine wirklichen Titel besitzen, sondern in sieben Akte untergliedert sind, obschon jeder für sich als eigener Song stehen könnte. Sehr intensiv gehen die Musiker bei den härteren Passagen zuwerke, gerade im vierten Akt, wo eine bombastische Orgeleinleitung im Stile Bachscher Fugen in rasantem Tempo über den Hörer hineinbricht, bevor ein etwas ruhigeres Zwischenspiel zu einem mysteriös anmutenden Hardrocklauf führt, der in einer kurzen akustischen Sequenz im Folkstil mündet. Man ist ganz hin und weg, hat einen doch schon der von härterer Rockmusik dominierte dritte Akt mit seinen sehr packenden Gesangslinien und der besessenen Gitarrenbearbeitung in helle Aufruhr versetzt. Nach dem vierten kommt ja immer der fünfte Akt und der wird von Schönklang und heller, fröhlicher Frühlingsstimmung, durch Querflöte, mehrstimmigen wortlosen Gesang, akustische Gitarrenläufe und betörend schönen Orgelsounds dominiert. Er entfesselt sozusagen eine pastorale Stimmung und schafft Bilder von bezaubernden Landschaften, in denen froh und erfüllt von Liebe die Menschen dahintanzen. Die Querflöte ist ein deutlicher Beweis für den Einfluss britischen Progrocks aus der Ecke Canterbury, der nicht nur die gemeinsamen Wurzeln in der schönen Stadt, sondern auch einen bei fast allen Bands jener Gegend erkennbaren gemeinsamen musikalischen Grundstein offenbart. CAMPO DI MARTE zaubern sich hier direkt in die Nachbarschaft von CARAVAN und ihren verträumteren Momenten, stilistisch und qualitativ. Doch, oh weh, schon wird man aus den bunten Blütenträumen gerissen, denn es folgt der sechste Akt, mit mystischen Mellotronmelodien, einer hypnotischen Rhythmustruppe, rockenden, zuweilen verdrehten Gitarrenläufen. Dann ein Bruch, folkloristische Melodien von der Gitarre, dann von Flöte und Jagdhorn, dann zusammen im Beatsound. Wieder ein Schlenker zurück zu den die Sinne vernebelnden, düsteren Abschnitten und ganz urtypisch proggy hin zu einer schrägeren Überleitung. Diese bewegt das Stück in ruhigere Gewässer hinein, wo akustische Gitarre, balladesker Gesang und Flöte eine romantische Atmosphäre aufbauen wollen, dabei jedoch rüde von dem immer wiederkehrenden Mystikrock unterbrochen werden. Das mag einem sicher ob dieser raschen Wechsel zwischen den Stilen nicht immer so recht die Möglichkeit geben, mit allen Sinnen an der Musik zu kleben, aber man fängt sich wieder und ist sogleich zurück am Ort des Geschehens. Akt Sieben, ein straight marschierender, stampfender Beatrhythmus, darüber eine unverzerrte E Gitarre und eine folkige Harmonie, erschaffen von Holzbläsern. Es folgen ruhig dahinfließende Momente frei von aller Hektik, in denen es sich vortrefflich untertauchen lässt. Dezent wird im Hintergrund georgelt, eine entspannte Jazzrockatmosphäre baut sich auf, was wieder ein Wink mit dem Leuchtturm gen Canterbury darstellt. So gestärkt kann es in die nächste Runde harten, verwinkelten Progrocks gehen. Und da kommt sie auch schon. Man muß natürlich kein Experte sein, um CAMPO DI MARTE als Ansammlung hervorragender und wirklich hingebungsvoller Musiker zu erkennen, die ihre Instrumente in den frickeligen Augenblicken fast willenlos voranpeitschen. Das nenne ich wahre Besessenheit, denn Leidenschaft allein ist nicht ansatzweise so wild und ungestüm, so intensiv und lustvoll. Der Frickelaspekt gerade im siebten Akt ist recht hoch, aber die romantischen Momente halten ihn auch für Freunde gemässigteren 70er Rocks erträglich. Wer nun also auf italienischen Gesang kann und Liebhaber britischer Progrockbands ist, der darf, nein, der muß hier sämtliche Ohren riskieren, die ihm zu eigen sind. Die Scheibe ist erstklassig! 90/100

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