VERGANGENE GROSSTATEN: QUARTZ - Quartz (Jet Records, 1977)




(Jet Records, 1977)
01. Mainline Riders
02. Sugar Rain
03. Street Fighting Lady
04. Hustler
05. Devil's Brew
06. Smokie
07. Around and Around
08. Pleasure Seekers
09. Little Old Lady

Die ehemaligen BANDYLEGS waren 1977 als QUARTZ wieder auferstanden und gehörten zu den Schützlingen vom gleichaltrigen, aber ungleich erfolgreicheren BLACK SABBATH Mainman Tony Iommi. Dem schweren Birmingham Sound, siehe auch JUDAS PRIEST, trug man damals gerne Rechnung, wobei QUARTZ weniger Düster, wohl aber zwischendurch melancholisch waren und insgesamt weniger spektakulär als ihre beiden weltberühmten Mitstreiter. Erstklassig waren sie trotzdem auf ihre Weise, denn die Stücke hatten Charakter und einen ganz ureigenen Ausdruck.

Schon der Opener „Mainline riders“ macht das deutlich. Mittelschnell, schwer rockend und bereits bei den eröffnenden Akkorden eine gewisse hymnenhafte Grundepik verbreitend stampft er aus den Boxen und zieht Deine Faust augenblicklich in die Höhe, während Dein Kopf sich im Takt wiegt. Die Gitarre bringt durch eine Dopplung in verschiedenen Oktaven eine eigenartig dunkle Atmosphäre mit sich, nachdenklich, bittersüß. Und das bittersüße Element ist stets gegeben, im ruhigen, entspannten „Sugar rain“, in der Ballade „Little old Lady“, während die Band auch gut zu rocken weiß. „Sugar rain“ hat viel vom gerade zu seiner Zeit aktuellen AOR Sound, ist sphärisch, hat verspielte Passagen, vereint die sanften mit den treibenden Momenten. Ein schönes Stück Rockmusik mit dezentem Hardrockeinschlag, kein Heavy Metal wohlgemerkt.

QUARTZ standen noch vor der großen NWoBHM, waren 70er, waren AOR und Hardrock, ohne den Schmalz der großen Majorproduktionen. In „Sugar rain“ gibt es sogar spannende progressiv Momente, auf denen eine Querflöte im besten JETHRO TULL Stil soliert. Der treibende Heavy Boogie Beat von „Street fighting lady“ und die erdige, hymnische Gesangslinie deutet in die Zukunft, ist prototypisch für den ehrlichen, herzlichen NWoBHM Sound, der schon zwei Jahre später in aller Ohren sein sollte. Beim flotteren „Hustler“ sind wieder die gedoppelten Gitarren und schönen Harmonien zu finden, welche ebenso typisch NWoBHM sein werden, aber auch eine sanfte, wenngleich treibende Strophe mit akustischen Gitarren. Der Song ist nicht ultimativ heavy, rockt aber und hat eine wundervolle Melodieführung.

QUARTZ bauen auf Eingängigkeit, aber ihre Stücke sind durchdacht, komplex aufgebaut, sehr dynamisch. Gefühlvolle Melodien finden sich überall auf dem Album und stimmen den Hörer melancholisch, wenn nicht wie im Stampfer „Devil’s brew“ eine sehr ausgelassene Stadionrockstimmung vorherrscht. Der Refrain ist sehr euphorisch und mitreißend. Immer wieder landet das Stück in einer spacigen Passage, mit eher erzählendem Charakter. Als würde man die Geschichte einer abenteuerlichen Sternenfahrt musikalisch untermalen, mal heroisch, mal mystisch. Ein schönes Stück Musik, welches u.a. auch gut auf die „Sabotage“ und „Technical ecstasy“ von BLACK SABBATH gepasst hätte, zwei Alben, die ja auch nur ein bis zwei Jahre vorher erschienen sind. Kein Wunder, dass Keyboarder Geoff Nicholls später dann ganz bei Iommi anheuerte.

„Smokie“ ist dann ein kurzer Akustikgitarreneinspieler, niedlich, aber sehr flüchtig. Vielleicht aber auch deswegen von so unvergleichlich fragiler Schönheit. „Around and around“ als Dampfhammerrocker wirkt hiernach doppelt wuchtig, hat wieder diese herrlichen Twin Gitarren (auch wenn eigentlich nur ein Gitarrist offiziell dabei ist, aber im Studio kann man ja alles machen) und Melodien zwischen Euphorie und Nachdenklichkeit. Schön ist der schwebende Einschub mit herrlichen Leadgitarren und Orgel. „Around and around“ ist wie „Devil’s brew“ ein epischer Hardrocksong mit eher lebensfroher Atmosphäre, dessen unkomplizierte, aber punktgenau sitzende Riffs Spannung erzeugen.

„Pleasure seekers“ ist brodelnd heiß und dabei total cool, ein hymnischer Song, auch hier mit schönen doppelläufigen Gitarren und von einer unglaublichen Geschmeidigkeit. Das Stück groovt ganz ungemein. Eigentlich läuft hier der Bluesrock mit klassischem Südstaatensound zusammen, wird aber durch die britische Erdverbundenheit in eine ganz andere Richtung getrieben. Das ist sexy. Hört nur die schönen Stakkatogitarren unter den Hauptriffs oder die wunderbare Leadgitarre, welche den Gesang begleitet. Das hier ist ein Hit vor dem Herrn.

„Little old lady“ beschließt das Album dann mit Melancholie und herbstlich bitterer Süße. Meist sanft balladesk, sind auch einige schöne rockende Momente enthalten. Man sieht förmlich die Blätter von den Bäumen unter grauem, wolkenverhangenem Himmel regnen. In der Tat ist gerade Herbst, wo ich dieses Review schreibe. Der Song passt perfekt.

Mein Fazit für das Album ist, eine kompositorisch hervorragende und spielerisch ausgezeichnete Band zu hören, die sicherlich nie den allergrößten Popsong geschrieben hätte, aber dafür harten und nicht ganz so harten Rock zu einer Musik vermischt, die auch 40 Jahre später noch bestehen kann, wie das aktuelle Album auf High Roller Records zeigt. Mir liegt übrigens eine Reissue der Debütscheibe auf „Back on Black“ vor.

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