REINSTER UNDERGROUND: MAHOGANY BRAIN - Smooth sick lights (


(1972/77, Pôle, Frankreich, 47.52)
01. Green Winter Of Revolvers
02. Cathedral’s Skirts
03. Church
04. Purple Overdose No. 102
05. Silkskin Dawn
06. Tongues-Movie: Doctor Cloud
07. Rose Sad Sea
08. Diamond Voices Of Stars
09. Burning The Vibes
Hier haben wir ein Beispiel dafür, was passiert, wenn man einem Haufen Hippies und Revoluzzern ohne Vorkenntnisse von Musik Drogen und Instrumente gibt. MAHOGANY BRAIN sind ein französisches Freiformprojekt, das vorliegende, 1977 auf dem avant gardistisch orientierten PÔLE Label veröffentlichte Album wurde bereits 1972 in einem Anfall kollektiven Wahnsinns und im Zustand tiefsten Rausches aufgenommen. Es klingt vollkommen aus der Bahn geraten, degeneriert, strukturlos und aller Orientierung beraubt. Aber blicken wir einmal hinter die Fronten dieses dadaistischen Klangausbruchs und wir werden trotz der eher unprofessionellen Liveaufnahmen vom Juninachmittag 1972 einen Haufen Musiker mit Plan entdecken. Gitarrist, Bassist und Schlagzeuger sind nämlich nicht einfach nur musikalische Neanderthaler, die bis zum Haaransatz bedröhnt und halluzinogenisiert sinnlos auf ihre Instrumente eindreschen. Es ist eine kollektive Liveaufnahme, eine Jamsession, wie sie für jene Zeit, eher aber noch für die späten 60er typisch war. Hippiemusik, frei, improvisiert und durchaus ein wenig versiert, auch wenn vieles schräg und neben der Spur klingt. Der experimentelle Krautrock glühte bereits einer wilden Sonne gleich vom Horizont und das färbte auch auf die Nachbarländer ab. Was AMON DÜÜL, die 1, nicht die 2, da 1968 in ihrer gewaltigen Session eingespielt hatten, was dann in den kommenden Jahren zum Teil zu Unrecht von gierigen Plattenfirmen als "Psychedelic underground", "Paradieswärts Düül", "Collapsing" und "Disaster" veröffentlicht wurde, ist keinen Deut anders als das, was MAHOGANY BRAIN hier verzapfen. Vielleicht noch einen Zacken revolutionärer, weil früher dran. Ja, wie in rasende Besessenheit oder besessene Raserei verfallen gibt sich die Band hier in den eruptiveren, freiförmigeren Momenten, hat aber mit "Silkskin dawn" durchaus auch eine niedliche Psychedelicrocknummer mit bekifft schrägem Frauengesang. Und wer sich die Mühe macht, dieses Inferno ein zweites oder drittes Mal zu durchleben, der wird in den verworren lärmigen Klangströmen sogar die eine oder andere berührende Melodie ertrinken sehen. Boogieeinflüsse, Psychedelic, Blues, Freejazz, die Jungs und das Mädel wurden durchaus beeinflusst. Ich würde ihnen die frühen, freiesten PINK FLOYD, VELVET UNDERGROUND feat. Nico, AMON DÜÜL und Leute wie Zappa und Beefheart als Vorbilder zuordnen, vielleicht noch Jazzer wie Coltrane, auch wenn das etwas weit hergeholt scheint. Sicher sind die Vorbilder spielerisch noch versierter, außer dem teutonischen Kollektiv, aber die Richtung stimmt. Für Freunde von betörend süßem Psychedelicpop ist das hier nicht geeignet, eher für einen Acidfreakout, bei dem man nicht unbedingt nach der Herkunft der Pilze und Säfte fragt, die da auf den Tisch kommen und wobei man schon mal das kleine blaue Raumschiff starten sieht. Der Sound der Scheibe ist natürlich wie ihre kompositorische Beschaffenheit, rau, matschig und unproduziert. Und doch finde ich diesen Gewaltjam von der ganzen Art her, von seinem Ausdruck und der Art, wie er mich berührt, so ergreifend faszinierend. Ich bin regelrecht verliebt, kann aber genauso nachvollziehen, dass Musikliebhaber mit anderen Ansprüchen extrem hasserfüllt darauf reagieren. Nur für Grenzgänger und - überschreiter.

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