ELECTRIC MOON - Flaming lake



(2011, Sulatron, Deutschland, 76.28 min)
01. The cosmic creator
02. Flaming lake
03. Lost and found souls
04. Burning Battenberg
So dunkelbunt wie das effektüberladene und verfremdete Livefoto im Inneren des Booklets ist auch die Musik von ELECTRIC MOON. Im Juli 2011 waren sie gerade in Battenberg / Eder beim "Teich in Flammen" Open Air, veranstaltet von den dortigen Psyche / Space Rockern DATURANA (unbedingt checken, Album "Crossroad man" gibt es von NASONI), schon steht eine CD mit Liveaufnahmen von eben jenem Fest, nun, nicht in jedem Laden, aber bei Bandkopf Dave Schmidt im SULATRON Shop. Vier Songs sind es, besser, vier ausladende, instrumentale Jams von hypnotischer Wucht, die Dich tief in einen Zeitstrudel reissen, in dem alles relativ wird. Die Welt um Dich herum bleibt einfach stehen. Das hier ist Musik, bei der Du die Augen schließt und Dich im Rhythmus wiegst, während Deine Seele auf den von den Gitarren erzeugten schwebenden Klangwellen reitet, weit fort hinaus in den Kosmos. Die Struktur der Stücke kommt eigentlich von Drummer Alex, der stoisch einen entspannten Beat klopft, ab und an aussetzt, zuweilen etwas kräftiger dreinschlägt, aber im Grunde mit seinen repetativen Strukturen bereits für den betörenden Ausdruck sorgt und von Bassistin Lulu, der Kometenfrau und Muse von Gitarrengott Sula Bassana aka Dave Schmidt. Komet Lulu spinnt ein dunkles Notengarn, das eindringliche, mystische Melodien ergibt, wobei auch sie wenige Variationen einbringt, den Hörer in seiner Trance zu halten und diese noch auszubauen. Auf gut sechsundsiebzig Minuten bringen es die vier ausgedehnten Jams, in denen sich meine Seele allmählich verliert. Um mich herum gefriert das Leben, während die brodelnde Atmosphäre der Musik gar allzu irdisch scheint. Zumindest was den extrem schweren Psychedelicdoomrock von "Lost and found souls" angeht, dem dritten Stück. Hab ich die ersten beiden Songs nun übersprungen? Ach, ich fange erst an, Euch von meiner spirituellen Reise in den flammenden See zu erzählen. "The cosmic creator" ist eine auf - und abschwellende Klangwand aus Grooves, pumpendem Bass, spacigen Effekten, die von Lulu und Dave gemeinsam aus irgendwelchen Gerätschaften getreten werden. Toll sind Daves wabernde Wahwahsounds, sein sphärisches Gesäge mit viel Nachhall und das Gluckern und Blubbern, welches seiner "elektrischen Stullenbox" entfleucht. Natürlich kann er seiner Klampfe auch ein katzenhaftes Heulen und halbwegs klassische 60er Psychedelic Jauler entlocken, wie das bereits vor vierzig und mehr Jahren die Besten getan haben. Und immer tiefer reissen Dich die drei Schöpfer kosmischer Rockmusik in ihre Musik hinein. Du als Hörer tänzelst umher, ohne Besinnung, wie im Fieberwahn. Dieser Jam hält Dich gefangen und wenn ELECTRIC MOON in eruptivere Passagen ausbrechen, dann sägt es Dich regelrecht um, Du tanzt wie ein Derwisch in wildester Ekstase. Das ist auch der Grundgedanke der Musik ELECTRIC MOONs, schiere Ekstase, das Loslösen der Seele vom Körper. Entspannter beginnt der Titelsong mit träumerisch dahinfließenden Läufen von Bass und Gitarre, tatsächlich mit kleinen Melodien und melodiehaftem Gitarrenspiel, welches allerdings immer auch wie ein Spiel mit den Effekten klingt. Die Atmosphäre ist heimelig, ich kann mir die Band hier so richtiggehend vorstellen, wie sie dort am Teich zu Fackelschein aufspielt. "Flaming lake" steigert sich langsam in seiner Intensität, rockt mehr, kocht regelrecht vor spiritueller Leidenschaft. Dave lässt die Klampfe heulen, als hätten wir 1972 und das hier wäre ein Konzert von PINK FLOYD und er hieße statt Schmidt mit Nachnamen Gilmour. Aber niemand bei ELECTRIC MOON bestreitet den Einfluss der britischen Artrock - und Psychepioniere. Ein gewaltiger Wirbel entsteht, die Gitarren, das scheppernde Schlagzeug, Lulus brummender Bass, sie tanzen um einander herum in furiosem Reigen, sie umschlingen sich förmlich und fesseln Zuhörer. Der visuelle Aspekt mag für diese CDr "nur" in der Imagination desjenigen entstehen, welcher der Musik ausgesetzt ist, aber wenn man sich komplett fallen lässt, dann löst sie die Sinne von dem, was der Mensch an sich als "Realität" empfindet, die Schatten und Schemen tanzen im Feuerschein um einen herum und man selbst kann nicht anders. Man muss einfach durch Raum und Zeit dahinwogen. Und dann kommt "Lost and found souls", der Heavysong mit dem prägnanten, düsteren Riff, dunkel - mystischen Melodien vom Bass, einer betörend schönen, dennoch scharfkantigen Leadgitarre und einem gespenstisch klackernden und scheppernden Schlagzeug. Mystifizierend, majestätisch, mit leicht orientalischem Einschlag, wie ein Ritt bei Sonnenuntergang durch das Tal der Könige, wo die schauerlichsten Sagen und Geschichten lebendig zu werden scheinen. Oh, Ekstase ist auch hier wieder ein Begriff, den ich für das Spiel in dem eigentlich zähflüssig doomigen Soundbrei benutzen möchte. Dave geht an der Gitarre vollkommen aus sich heraus, Lulu und Alex zaubern einen donnernden Rhythmusteppich, der den infernalischen Ausdruck eines vom Sturm aufgepeitschten Meeres hat, auf dem man hilflos in seiner Nussschale von Walfängerschiff treibt. Dieser Jam ist eine Urgewalt, wird aber auch irgendwann von der Band wieder in ruhige Passagen getrieben, die eine schaurige Atmosphäre mit sich bringen. Freiförmiges Zischen, Zwitschern, Blubbern, Knarren und Quietschen gibt es dann auch hier in einigen Abschnitten, obschon "Lost and found souls" am Ende durchaus sehr komponiert wirkt. Über zwanzig Minuten schwebt man in diesem Inferno umher, welches zum Ende hin sogar in reinen Spacerock abdriftet, dann aber wieder den Weg zum Heavysound der Anfangssequenz und damit zu seinen Wurzeln findet. ELECTRIC MOON rauben einem auf diese Weise einfach die Sinne. Nach solch einer Abfahrt sollte eigentlich alles aus sein, aber ein Surren und Blubbern, dazu etwas Bass, ein dezenter, formbefreiter Rhythmus, Geplänkel der Gitarre, es geht psychedelisch voran. Dave spielt nach der spacigen Einstiegssequenz auf dahinspringendem Beat und monotonem Bass schöne cleane Läufe mit bewusstseinserweiternder Melodieführung. DATURANA Trommler Philipp hat sich hier zur Band gesellt. Irgendwie hab ich das Gefühl, als läge ein dünner Synthesizerteppich auf der Musik, die sich rasch in immer ekstatischere Gefilde bewegt, schneller, treibender wird, wieder an Fahrt verliert, fast statisch wird und immer wieder schnaufend und ächzend Aktivität zeigt und durch seine versponnenen, aber entschlossen wirkenden Rhythmen dem Hörer vollen Körpereinsatz fordert. Eine Passage erklingt, wo die Band schneller und schneller wird, dann eine Art Explosion, der Song wird langsamer, aber er bleibt kraftvoll, krachend und feurig. Am Ende wird es dann komplett wirr, freiformatig, experimentell, ein Freak Out dringt an unsere Ohren, der uns in den Kosmos hinauskatapultiert, frei von Form, Rhythmus und allem was dazugehört. Schluss, ein wenig Applaus und Gejohle, weg. Wow, was für eine Scheibe, jetzt brauch ich erstmal ein wenig geschmeidige Beatmusik, um meine Sinne wieder zu besänftigen. Wer ein Exemplar der auf 250 Exemplare limitierten CDr im Jewelcase mit professionellem Cover haben möchte, wende sich an SULATRON RECORDS.

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